In den 90er und 2000er Jahren gab es in der Presse zahlreiche Hype-Phasen zum Thema Workflow: Workflow im DMS, Workflow als Bestandteil des Betriebssystems, Workflow in E-Mail-Systemen, Workflow überall. In den letzten Jahren ist es in der Presse scheinbar jedoch verdächtig still um diesen Begriff geworden – es gibt kaum Veröffentlichungen zum Thema Workflow. Ein toter Markt? Keine Projekte? Bei weitem Nein! Das Kind heißt heute BPM und es gibt viele Produkte, Lösungsansätze und Projekte im Markt. Doch was ist beim Workflow-/BPM-Einsatz zu beachten?
Hypes in den 1990er und 2000er Jahren
Mit der Bereitstellung elektronischer Archivlösungen Ende der 1980er Jahre war zugleich die Idee der elektronischen Vorgangssteuerung geboren: Mittels Workflow-Systemen sollten sich Vorgänge und alle darin befindlichen Daten inkl. der zugehörigen Dokumente in Sekundenschnelle, regelbasiert durch das Unternehmen leiten lassen. Hierdurch sollte sich die Effizienz der Sachbearbeitung deutlich verbessern und lange Durchlaufzeiten von Prozessen sollten der Vergangenheit angehören.
In den 1990er und 2000er Jahren gab es wiederholt Zeiten, in denen die Vision der elektronisch geführten Vorgangsbearbeitung durch Workflow-Systeme als eine der wesentlichen Zukunftsvisionen gesehen wurde und es wurde ein gigantisches Anwachsen von Workflow-Angeboten und Workflow-Lösungen vorausgesagt.
Zwischenzeitlich hat sich viel getan; sowohl auf Anbieter- / Herstellerseite als auch auf Anwenderseite, die fast still und heimlich Lösungen auf Basis gänzlich unterschiedlicher Produktansätze geschaffen haben.
Und noch etwas hat sich geändert: Aus Workflow wurde BPM (Business Process Management) oder bei manchen Anbietern auch Case Management. Gemeint ist allerdings immer noch dasselbe: Die elektronische Steuerung von Geschäftsprozessen.
Erheblich erweitertes Produktangebot heute
Nach einer Phase der Konsolidierung Ende der 1990er Jahre erleben wir einen seit Jahren stetig wachsenden Markt für Standalone BPM-Produkte. Zudem finden Anwender in sehr vielen System- oder Anwendungsumgebungen Workflow-Funktionen: So bietet bspw. SAP sowohl in der ERP-Umgebung mit Business Workflow als auch in der Netweaver Plattform mit SAP BPM bereits zwei komplett unterschiedliche Workflow-Ansätze. ERP- und CRM-Anbieter wie z.B. IBM, Salesforce, Peoplesoft, Oracle bieten in ihren Produktsuites Workflow- bzw. BPM-Komponenten an. Fast jeder DMS-Hersteller bietet zumindest eine Postkorbfunktion, einige wenige auch Ad-hoc-Workflow oder BPM-Tools an. Nicht zu verachten ist auch der Open Source Markt rund um Workflow, auf dem z.B. jBPM eine große Rolle spielt und auch Activiti, vornehmlich von Alfresco getrieben, zu finden ist. Last but not least seien die zahlreichen Groupware- und SharePoint basierten Workflow-Erweiterungen insbesondere von Lotus Notes aber auch von Microsoft bzw. Microsoft-Partnern genannt, wie z.B. die bei vielen Anwendern der SharePoint-Umgebung anzutreffende Nintex-Lösung.
Workflow-/BPM-Strategie ist wichtig
Für ein typisches Anwenderunternehmen besteht häufig die Notwendigkeit darin, eine Workflow-/BPM-Strategie zu entwickeln. Diese wird benötigt, um zu entscheiden, wie denn die gesamtheitliche Arbeitsflusssteuerung des Anwenders aussehen soll. Befinden sich mehrere Workflow-Lösungsansätze im Unternehmen, und das ist heute wahrscheinlicher denn je, dann gilt es zu überlegen, welche dieser Werkzeugkästen für welche Aufgabenstellung geeignet erscheint, und ob es eine „Master-Workflow-Plattform“ gibt, auf der die High-End-Geschäftsprozesse abgewickelt werden.
Für Anwender ist es lästig, wenn sie für unterschiedliche Vorgangsarten unterschiedliche Workflow-Systeme bedienen müssen, z.B. für die Rechnungsprüfung die Workflow-Lösung-1, für die Reklamationsbearbeitung eine Workflow-Lösung-2 und für hausinterne Verwaltungsprozesse eine Workflow-Lösung-3. Aus Anwendersicht kommt dann noch das E-Mail-System als Aufgabenlieferant hinzu und schon müssen vier oder mehr Postkörbe ständig überwacht werden, schließlich soll ja keine Arbeit liegenbleiben. Das ist ähnlich unschön, als hätte der Anwender in der Vergangenheit in vier oder mehr unterschiedlichen Poststellen seine Eingangspost abholen müssen.
Auf welcher Plattform sollte nun der Workflow bereitstehen?
Aus Anwendersicht erscheint das E-Mail-System heute zumeist völlig unverzichtbar, so dass nicht wenige Anwender eine Workflow-Lösung auf E-Mail-Basis wünschen. Viele praktische Umsetzungen dieser Basisanforderung kämpfen jedoch mit der (Un-)Übersichtlichkeit des E-Mail-Postfachs und in manchen Produkten fehlenden Workflow-Management-Funktionen.
Andere Anwender bevorzugen die Workflow-Steuerung in der Fachanwendung. Dies ist insbesondere dann anzutreffen, wenn der Anwender vornehmlich mit einer einzigen Fachanwendung arbeitet, was gerade im SAP-Umfeld vermehrt anzutreffen ist. Hier gilt es dann häufig, eine DMS-Lösung für die Integration der im Workflow benötigten Unterlagen und gegebenenfalls auch das E-Mail-System zur Benachrichtigung seltener Nutzer anzubinden.
Nicht zuletzt wählen Anwender auch gerne eine im Haus etablierte DMS-Lösung als Workflow-Basissystem: Hier finden Sie alle zu den Vorgängen gehörenden Dokumente, können vom Dokument aus den Vorgang starten und weitere Unterlagen besonders einfach einbinden. Für einige Anwendungsfälle, wie z.B. für die elektronische Rechnungsbearbeitung oder für die elektronische Vertragsakte finden sich bereits zahlreiche vorkonfigurierte Workflow-Lösungen, die im Falle der elektronischen Rechnungsbearbeitung überdies mit automatischen Datenerkennungsfunktionen ausgestattet sind, so dass die Tätigkeiten der manuellen Datenerfassung deutlich reduziert werden können.
Auch der IT-Betrieb in Anwenderunternehmen hat ein hohes Interesse an einer einheitlichen Workflow-Strategie: Jedes Workflow-Produkt, auch wenn es lediglich eine Komponente einer ERP-, CRM- oder sonstiger Anwendungen darstellt, benötigt spezifisches Know-how, da proprietäre Customizing- und Programmierfunktionen angesprochen werden. Know-how-Träger sollten über Stellvertreter abgesichert werden, und so kann schnell das Betreuungsteam ungewollt ansteigen, wenn viele verschiedene Workflow-Produkte zeitgleich genutzt werden.
Herausforderungen in Workflow-Projekten meistern
Gerade Workflow-Lösungen benötigen häufig Feinanpassungen, nicht nur in der Maskensteuerung, sondern vor allem auch in der Integration vor- und nachgelagerter Systeme: So sollen im Rahmen der elektronisch gestützten Rechnungsverarbeitung beispielsweise in der Regel die aktuellen Kreditorendaten, Konditionen, Kostenstellen, gegebenenfalls Bestelldaten und Budgetdaten usw. im Workflow verfügbar gemacht werden, also aus der ERP-Umgebung in die Workflow-Umgebung integriert werden.
Auch bedingen Workflow-Lösungen ein besonders hohes Maß an Verständnis für die Geschäftsprozesse. Hier ist es wichtig, ein Projektteam zusammenzustellen, das nicht nur aus IT-Experten besteht, sondern vor allem auch Organisationsexperten enthält, die die Fachprozessanforderungen kennen und deren Auswirkungen auf die Prozesssteuerung mitkonzipieren können.
Bei dieser komplexen Aufgabenstellung helfen in Einführungsprojekten häufig Experten, die vergleichbare Aufgaben bereits in unterschiedlichen Umgebungen umgesetzt haben. In weiteren Ausbauprojekten sind die hausinternen Mitarbeiter dann häufig in der Lage, das Erlernte aus dem Einführungsprojekt selbst anzusetzen, so dass der externe Unterstützungsbedarf abnehmen kann.
Fazit
Fast still und heimlich hat sich in Unternehmen bereits heute die Workflow-Funktion eingenistet, und zwar als Bestandteil vieler Anwendungssysteme. Viele Anwender nutzen diese Funktionen und stellen vermehrt fest, dass eine Strategie notwendig ist: Nur so lässt sich ein Wildwuchs vermeiden, der beim Anwender zum Bedienchaos und im IT-Betrieb zu erhöhten Betriebskosten führt. Workflow-Lösungen stellen komplexe Anforderungen sowohl an die IT als auch an die Fachbereiche.