EIM versus ECM: Wo treibt die Entwicklung hin und was steckt hinter dem neuen Akronym?
B. Zöller: Klares Nein. Enterprise Information Management ist für mich nur ein weiterer unkonkreter Begriff, der wohl eher den Protagonisten und nicht den Anwendern dienen soll. Aber das ist ja nicht ungewöhnlich in der IT-Branche. „Jede Woche wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben“. Ich wette, dass das Thema EIM in der DMS/ECM Branche in 3-5 Jahren oder früher wieder tot ist, genauso wie viele andere Schlagwortleichen. Aber von all diesen Begriffen wie etc. und Akronymen ILM, DRT, IDMS ist EIM der generischste, am wenigsten konkret abgrenzende. Ein ERP Hersteller wie SAP ist demnach ebenso ein EIM-Anbieter wie die Online-Shop- und Warenwirtschaftssysteme eine Internet-Händlers, die Stücklisten auf CAD und ERP-Systemen eines Konsumgüterherstellers, die Fernablesesysteme von Energieversorgern, die PPS-Lösungen eine Fertigungsunternehmens, und und und. Datensilos, Auswertungswerkzeugen, E-Mail-Systemen etc.: Alles EIM. Fast jede Anwendungsfacette des Informatikmarktes hat die Berechtigung auf das Etikett „Verwaltung von Enterprise Informationen“. Wo ist jetzt der Nutzen dieser neuen Abkürzung, wenn eigentlich JEDE Anwendung, die geschäftskritische Informationen oder Daten verarbeitet oder verwaltet eine EIM-Anwendung ist?
BIT: ECM oder EIM: Reicht der Begriff ECM aus, um den Informationsfluss über verschiedene Systeme und Kommunikationskanäle zu betrachten und zu steuern und die damit verbundenen neuen Anforderungen abzudecken? (Wenn ja bzw. nein, bitte kurze Begründung).
B. Zöller: Reicht der Begriff „Fahrzeug“ um die Transport und Navigationsanforderungen von Personen oder Unternehmen, die transportieren müssen, gerecht zu werden? Auf dieser Ebene kann man die Frage getrost wahlweise mit Ja oder Nein beantworten. Viel zu generisch und daher Wischiwaschi. Weiß der Speditionsunternehmer jetzt, welches „Fahrzeug“ er braucht, wenn er eine Fahrzeugübersicht sieht in der auch Muldenkipper und Motorroller enthalten sind? Gibt es Autoscout24 oder Transportfahrzeuge24? Na also. Die Antwort auf die Frage lautet also: Nein, an diesen Aufgaben sind viele Segmente des IT-Anwendungsmarktes involviert: der ERP-Markt, die ECM-Branche und viele andere. Welche das konkret sind, bestimmt sich einzig nach der konkreten Aufgabenstellung in den Prozessen.
BIT: Neues Akronym: Die IT-Sprache ist reich an Akronymen, wie z.B. DMS, ECM, BPM, BI, WCM, ERP, CRM. Sind die Anwender-Unternehmen nicht überfordert, wenn mit EIM ein neues Akronym eingeführt wird?
B. Zöller: Na klar sind sie überfordert und ich würde mir wünschen, dass die Fachpresse solche Sachen mal aufs Korn nimmt. Wie wäre es mit einer Liste von Abkürzungen aus den vergangenen 20 Jahren des ECM-Marktes? Oder eine letzte Seite „Was macht eigentlich … WfMC“? Das wäre nicht nur unterhaltsam sondern würde den Lesern auch klarmachen, dass es viele neue Abkürzungen nicht wirklich geschafft haben, die aber vorher durch Presse und Ausschreibungsunterlagen mäandert sind. „Sind Sie WfMC-konform?“. „Haben Sie eine MoReq Zertifizierung?“. Meine Güte, was für eine Geldverschwendung!
Wir haben in mindestens der Hälfte der Projekte bei mittelständischen und großen Kunden bereits Diskussionen um vermeintlich konkrete Begriffe wir Archiv, Akte, DMS oder „Vorgang“. Und viele dieser Kunden beschäftigen sich bereits seit vielen Jahren mit den Themen. Bereits ECM ist ausreichend verschwommen. Aber EIM schießt definitiv den Vogel ab.
BIT: Von ECM zu EIM: Es fällt auf, dass vor allem Markt-Player aus dem Umfeld DMS / ECM sich diesen Begriff aneignen. Sehen Sie eine direkte Entwicklungslinie von ECM zu EIM?
B. Zöller: Ja, welche denn? Ich kenne nur sehr wenige (drei genaugenommen) die den Begriff derzeit benutzen: Open Text, die ein weit über Dokumenten Management oder ECM hinausgehendes Produktportfolio anbieten und sich daher zu Recht nicht „nur“ als ECM-Anbieter positionieren. Daneben kenne ich keinen Anbieter mehr, sondern nur noch 2 Stimmen im Verbands- und Beratermarkt. Aber vielleicht ist mir da etwas entgangen.
BIT: Informationen und Prozesse als Erfolgsfaktor: Letztendlich geht es darum, Informationen bedarfsgerecht und zum erwünschten Zeitpunkt zu erhalten sowie Prozesse effizienter zu gestalten. Bedarf es dazu eines neuen Marktbegriffs? (Bitte kurze Begründung.)
B. Zöller: Wir sind ECM-Berater und haben dort Begriffe wie ECM, DMS, Akte, Archiv, Collaboration, Web Content Management, Portal, etc. Damit kommen wir und unsere Kunden klar. Fehlt uns ein Begriff auf einer sehr viel höheren Abstraktionsebene? Nein. Fehlt SAP oder Oracle ein solcher Begriff, weil man diese Firmen zu schnell in die ERP-Schublade steckt und sie eigentlich auch andere Dinge tun? Mag sein, ist aber nicht mein Thema. Ich sehe aber nicht, dass die Protagonisten von EIM den ERP-Markt anpeilen, sondern sich an den ECM/DMS/Archivmarkt richten. Meine Meinung: das ist Bellen am falschen Baum. Wer eine neue Definition in den Ring wirft, muss erlauben, dass sie verprobt wird und das sieht bisher für den EIM nach meiner Wahrnehmung schlecht aus. Kein Mensch, den ich persönlich kenne und kein Artikel, den ich dazu gelesen habe, hat die o.a. Widersprüche aufgelöst. Alle – mit Ausnahme der drei mir bekannten Stimmen, siehe oben – haben die gleiche Meinung.
BIT: Neue Anforderungen und Konzepte: Gehen mit dem Blick auf Informations-Management (ganz gleich ob EIM oder ECM) auch neue praxisrelevante Lösungen, neue technologische Konzepte oder neue organisatorische Betrachtungen einher? (Falls ja, welche?)
B. Zöller: Nicht, dass ich wüsste. Aber wie wäre es: Wollen wir uns ein „Was macht eigentlich EIM?“ in 3 Jahren auf Wiedervorlage legen? Ich mache das schon mal und nehme gerne weitere Vorschläge für Abkürzungen, Schlagworte, vermeintliche Megatrends etc. aus der ECM-Welt unter bzoeller@zoeller.de entgegen und richte dann eine kleine Rubrik auf unserer Website ein.