Der Beitrag ist zuerst erschienen in eGovernment, Ausgabe 06/2023
Warum und wofür ein DMS geeignet bzw. nicht so gut geeignet ist, wurde im ersten Teil des Artikels behandelt. Auch einheitliche Begriffsdefinitionen im DMS-Umfeld, die bereitzustellenden personellen Ressourcen und DMS-Bestandsaufnahmen wurden thematisiert. Im zweiten Teil runden Tipps zur DMS-Auswahl, zur DMS-Umsetzung und zur DMS-Strategie das Gesamtbild ab.
DMS-Auswahl
Nach der Anforderungsanalyse bzw. Evaluierungsphase folgt i.d.R. die Auswahl bzw. Beschaffung einer verwaltungsweit tauglichen DMS-Lösung.
Nicht immer muss eine DMS-Auswahl mit einem formellen Vergabeverfahren verbunden sein. Wird während der DMS-Bestandsaufnahme festgestellt, dass in der Verwaltung bereits eine DMS-Lösung (z.B. als Archivlösung) eingesetzt wird, kann anhand einer Marktrecherche und einer damit verbundenen Funktionsüberprüfung festgestellt werden, ob lediglich eine Nachbeschaffung ausreichend ist. Ist die Verwaltung z.B. in einem Dachverband bzw. Zweckverband organisiert, kann geprüft werden, ob die DMS-Lösung ohne formelle Ausschreibung über den Dach-/Zweckverband bezogen werden kann.
Ist keine dieser Möglichkeiten gegeben, dann ist eine öffentliche Ausschreibung unumgänglich. Ein DMS-Auswahlverfahren ist grundsätzlich abhängig von der Art des Betreibermodells und gestaltet sich daher unterschiedlich. Neben dem klassischen Eigenbetrieb einer Lösung im eigenen Rechenzentrum der Verwaltung (On-Premises-Lösung) gibt es mittlerweile alternative Betreibermodelle z.B. in den kommunalen Rechenzentren oder über die DMS-Lösungsanbieter selbst. Typischerweise handelt es sich um Managed Services bzw. Cloud-Lösungen. Der technische Betrieb der DMS-Lösungen erfolgt hierbei nicht mehr über die Verwaltung selbst, sondern in einem externen Rechenzentrum. Erfahrungsgemäß wird nicht nur die Hardware vom Service-Anbieter bereitgestellt, sondern auch Zusatzleistungen wie das Betriebsmanagement, die präventive Wartung und auch das Einspielen von Software Updates.
Ist der Eigenbetrieb der DMS-Lösung im Rechenzentrum der Verwaltung geplant, ist das zentrale Kriterium bei der Bestimmung der Vergabeform die zu erwartenden Gesamtkosten. Wird die aktuelle Wertgrenze von 215.000 EUR netto, also die Gesamtkosten für Lizenzen, Wartung und Dienstleistungen, kumuliert auf 48 Monate, überschritten, wird eine EU-weite Ausschreibung notwendig. Für kleine Kommunen mit wenig DMS-Arbeitsplätzen ist meist ein nationales Vergabeverfahren ausreichend.
Als EU-weites Vergabeverfahren hat sich das „Verhandlungsverfahren“ mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb und bei einer nationalen Vergabe die „beschränkte Ausschreibung“ mit oder ohne Teilnahmewettbewerb bewährt. Da öffentliche Auswahlverfahren formell sehr anspruchsvoll sind und nachvollziehbar gestaltet werden müssen, ist es ratsam, hier auf vorhandene Werkzeuge zurückzugreifen und nicht von „Null an“ zu beginnen. Es hat sich bewährt, bereits während der Anforderungserhebung zumindest drei wesentliche Dokumente zu erstellt, die für eine eventuelle Markterkundung, aber spätestens für das DMS-Auswahlverfahren direkt genutzt werden können:
- Die Projekt-/Leistungsbeschreibung: In der Projekt-/Leistungsbeschreibung werden die funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen des Kunden beschrieben. Auch erste Umsetzungsprojekte (i.d.R. 2-3 Umsetzungsprojekte) sind mit möglichst hohem Detaillierungsgrad beschrieben, so dass ein DMS-Anbieter die Umsetzungsvorhaben genau versteht und diese auch preislich im Auswahlverfahren fixieren kann.
- Die Preisabfrage: Basierend auf den in der o.g. Leistungs-/Projektbeschreibung dokumentierten Anforderungen wird ein strukturiertes und detailliertes Preisabfragedokument erstellt. Hier werden zum einen die notwendigen Software-Lizenzen inkl. Wartungskosten und zum anderen die Dienstleistungen erfragt.
- Der Anforderungskatalog: Der Anforderungskatalog ist ein Dokument, in dem ein Großteil der für das Projekt relevanten Informationen zum angebotenen System abgefragt wird. Bei den abgefragten Informationen handelt es sich um Angaben zur technischen Basis des Systems und zu den Anwendungsfunktionen. Die Art der Fragen ist hier entscheidend, um Unterschiede der verschiedenen Lösungen zu identifizieren. Sind Fragestellungen zu oberflächlich, dann sind nachher alle Systeme gleich und wesentliche Unterschiede nicht erkennbar.
Zusätzlich ist ein schlüssiges Bewertungsschema notwendig, um das Ausschreibungsverfahren transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Hier sind die Art der Bewertung und die prozentuale Gewichtung der einzelnen Bewertungskategorien von großer Bedeutung.
Bei einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb wird zusätzlich ein Dokument zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit des DMS-Anbieters notwendig. Auch hier muss auf die Fragestellungen und die Gewichtung der Ergebnisse ein besonderes Augenmerk geworfen werden, um im Verfahren nicht angreifbar zu werden.
DMS-Strategie und Umsetzungsplanung
Bereits während der Auswahlphase, besser noch früher, sollte sich das Projektteam Gedanken über die eigentliche Umsetzungsplanung der DMS-Lösung machen. Eine zumindest grobe Gesamtumsetzungsstrategie sollte der Verwaltung vorliegen, um eine verwaltungsweite DMS-Einführung nicht zu einem Endlosprojekt werden zu lassen. Folgende Merksätze sollte zum Thema Strategie beachtet werden:
- Eine DMS-Strategie ist eine langfristig gültige Orientierungshilfe
- Sie definiert übergeordnete Ziele und Zeitvorgaben
- Sie ist keine Ausformulierung von Fachkonzepten für Einzelprojekte in den Ämtern und kein taktischer Maßnahmenkatalog
- Ziele der Strategie müssen erreichbar sein, innerhalb der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (finanzielle und personelle Ressourcen) sowie innerhalb realistischer Zeitvorgaben/-planungen
DMS-Strategieziele sind daher:
- Die Abdeckung der unterschiedlichen Anforderungen in den einzelnen Organisationsbereichen der Verwaltung im Sinne der Verwaltungsziele (Nutzen-/Erfolgsorientierung, Fach-/Funktionsanforderungen, IT-Rahmenbedingungen…)
- Eine vorgeplante Einführungsreihenfolge einzelner Teilprojekte für eine verwaltungsweite DMS-Einführung (Roadmap)
Die Strategie ist abhängig von Rahmenbedingungen, die in der Verwaltung vorherrschen. Es gibt nicht DIE eine Einführungsstrategie. Sie variiert i.d.R. aufgrund folgender Einflüsse:
- Größe und geografische Verteilung der Gesamtverwaltung; wie viele Organisationseinheiten (z.B. Ämter, Sachgebiete etc.) müssen verwaltungsweit in unterschiedlichen Lokationen an das DMS angebunden werden?
- Wie viele Personen sind in diesen Organisationseinheiten von der DMS-Einführung betroffen?
- Wie positioniert sich das DMS zu Fachverfahren, die ggf. selbst ein eAkten-Modul besitzen?
- Welche Aktenarten sind in einer Organisationseinheit vorhanden (Sach-/Fallakten) und wie viele?
- Wie und welche Akten bzw. Dokumente werden heute unter den Organisationseinheiten ausgetauscht?
- Welche Workflows sind innerhalb der DMS-Lösung sinnvoll?
- Welche Aufgaben liegen in den Organisationseinheiten zu welchem Zeitpunkt an; wie hoch ist also die personelle Auslastung in diesen Bereichen (haben die überhaupt Zeit für das DMS-Projekt)?
- Unvorhergesehene Faktoren (z.B. die Flüchtlingskrise, die in den Sozialämtern zu Verschiebungen von DMS-Einführungsprojekten geführt hat)
- Der zu erzielende Nutzeneffekt mit Einführung einer DMS-Lösung in den Organisationsbereichen
- Etc.
Es ist auch nicht untypisch, dass die Verwaltungsleitung die Strategie mitbestimmt und ggf. eine Zielvorgabe für eine verwaltungsweite DMS-Einführung vorgibt, nach dem Motto „in 5 Jahren sollen alle Organisationseinheiten mit dem DMS ausgestattet sein“. In diesem Fall bleibt dem DMS-Projektteam häufig nur die Wahl:
- die Anzahl der anzubindenden Organisationseinheiten zu ermitteln
- daraus schließend, die Anzahl der Umsetzungsprojekte in einem Zeitraum (z.B. in einem halben Jahr) zu identifizieren
- die fachlichen Anforderungen, also die Komplexität der Umsetzung, zu verstehen (z.B. sind Projekte zur Einführung einer standardisierten Sachakte schneller und einfacher umzusetzen als Projekte mit einer tiefen Fachverfahrensintegration)
- die notwendige Anzahl der Projektbeteiligten zu ermitteln, mit der die verwaltungsweite DMS-Einführung im vorgegebenen Zeitraum überhaupt machbar ist
Zugegebenermaßen ist das kein einfaches Unterfangen, welches aber für Gesamtumsetzung und Zielsetzung notwendig wird.
Blaupause für die Umsetzungsprojekte entwickeln
Zur DMS-Einführungsstrategie wird die Entwicklung einer „Blaupause“ zur Planung und Umsetzung der einzelnen DMS-Teilprojekte empfohlen. Es beginnt damit, ein einheitliches Projektvorgehen für jedes Teilprojekt zu definieren, wie z.B. nachfolgende Abbildung aufzeigt.
Abbildung 1: Blaupause Projektvorgehen
Die entwickelten bzw. eingesetzten Projektwerkzeuge für die einzelnen Arbeitspakete in den Umsetzungsprojekten sollten wiederverwendbar gestaltet werden. Beispiel aus der Praxis hierfür sind u.a. Projektpläne, Vorlagen für Fach-/Feinkonzepte, Testfälle-/dokumentationen, Schulungsunterlagen für verschiedene Anwendergruppen, Anwenderdokumentationen, Dienstanweisungen und auch technische Vorlagen zur Verschlagwortung und zu Berechtigungen.
Veränderungsmanagement (Change-Management)
Nicht nur über Teilprojekte hinweg muss sich das DMS-Projektteam auch mit Aufgaben wie dem Change-Management, Risikoanalysen (was wäre, wenn folgendes im Projekt eintritt), der Dokumentation für das Gesamt-/Teilprojekt und auch der verwaltungsweiten Projektkommunikation beschäftigen.
Häufig wird der Aufwand für das Thema Change-Management, also die Überführung alter, gewohnter Abläufe in die digitalisierten Prozesse, unterschätzt. Es ist nicht sinnvoll und in einigen Fällen nur schwer möglich, aktuelle Papierprozesse 1:1 in elektronische Prozesse zu übernehmen (z.B. eine persönliche Paraphe mit grüner Tinte auf dem Papier). Das Abschneiden „alter Zöpfe“ von papiergebundenen Prozessen im Verwaltungsalltag ist typischerweise notwendig, um das volle Potential einer modernen DMS-Lösung auszuschöpfen.
Kommunikation
Internes Marketing für die verwaltungsweite DMS-Einführung fällt unter das Thema Kommunikation. Das Projektteam sollte verwaltungsweit aufklären und aktives Marketing zum Thema DMS betreiben: wozu ist das System gut, welche Probleme werden gelöst, wo sind die Grenzen, was ändert sich in der Organisation, was kommt Neues auf die Verwaltung zu. Auch kann es nur von Vorteil sein, wenn dem Verwaltungspersonal aktuelle Projektfortschritte und die nächsten geplanten Aktivitäten offen kommuniziert werden. Neue Ideen, Rückkopplungen und Verbesserungsvorschläge durch die betroffenen Verwaltungseinheiten an das DMS-Umsetzungsteam sollten aufgegriffen werden, um die Verwaltungsaufgaben der einzelnen Organisationseinheiten optimal mit der DMS-Lösung zu unterstützen.