Die stetig zunehmende Zahl von nationalen und internationalen Vorgaben und Richtlinien und deren kurzfristige Umsetzung stellen eine große Herausforderung für kommunale Verwaltungen und Behörden dar. Viele dieser Vorgaben sind sehr technologiegetrieben, wie z. B. das eGovernment-Vorhaben „Deutschland-Online“, das Thema sichere E-Mails (De-Mail, Govello etc.), digitale Unterschriften (Signaturen), das elektronisches Einreichen von Gerichtsunterlagen und aktuell auch die EU-Dienstleistungsrichtlinie. Konträr dazu stehen die häufig knappen finanziellen Mittel, die den Verwaltungseinheiten für die Umsetzung dieser Empfehlungen bzw. Vorgaben zur Verfügung stehen. Es sind also Instrumente gefragt, mit denen sich diese neuen Herausforderungen jetzt und in Zukunft effektiver, kostengünstig und vor allem schneller realisieren lassen.
Ein wesentliches Werkzeug zur Umsetzung dieser Anforderungen, und daher eine wichtige Infrastrukturkomponente im eGovernment-Kontext, ist ein Dokumenten Management System (DMS). Viele öffentliche Einrichtungen, Kommunen und Behörden haben bereits den Nutzen von Dokumenten Management Systemen erkannt. Dieses können wir anhand unserer zahlreichen DMS-Projekte im öffentlichen und kommunalen Umfeld gerade in den letzten Jahren bestätigen. Eindeutig lässt sich der Trend erkennen: Immer mehr kommunale Verwaltungen und Behörden beschäftigen sich intensiv mit der Auswahl, der Einführung und – falls bereits eingesetzt – mit dem weiteren Ausbau von DMS-Lösungen, denn viele fachliche und organisatorische Zielvorgaben in den Verwaltungseinheiten wie z.B.
- die breite Nutzbarkeit und Verfügbarkeit abgelegter Dokumente und Daten in der gesamten Verwaltung/Behörde
- die dauerhafte, unveränderbare und gesicherte Archivierung aller relevanten Dokumente
- Schutz vor Dokumenten- und Datenverlusten und vor Fehlablagen
- die Entlastung der klassischen Dateiablagen und der E-Mail-Umgebung
- eine Effizienzsteigerung in den Verwaltungsprozessen durch Unterstützung der Fachverfahren – Unterstützung der fall- und aktenorientierten Bearbeitung
- Nutzung einer einzigen technischen Anwendungsumgebung / Arbeitsplatzsoftware für Aufgaben der Archivierung (wie Scannen, Mail-, Office-, Datenarchivierung etc.), des Dokumenten Management (z.B. Versionierung, Vorlagenverwaltung und Erinnerungsfunktionen etc.), der elektronischen Aktenverwaltung und der Postkorb-/Vorgangsbearbeitung.
lassen sich mit einer auf die funktionalen und technischen Anforderungen der kommunalen Verwaltungen bzw. Behörden optimal abgestimmten DMS-Lösung erfüllen.
Hat sich nun eine Kommune oder eine Verwaltungsbehörde dazu entschieden, ein DMS einzuführen, steht die IT-/Organisationsabteilung und/oder der Einkauf der Behörde vor einer komplexen Aufgabe: Die Beschaffung des geeigneten DMS!
Häufig entsteht der Eindruck, dass ein DMS, welches für die Kommune A geeignet ist, auch für die Kommune B geeignet sein müsste. Genau dies ist erfahrungsgemäß aber nicht der Fall. Das „geeignete DMS“ kann für jede Behörde anders aussehen. Die Gründe hierfür sind, dass die Eignung eines DMS von diversen Faktoren abhängig ist, die typischerweise von unterschiedlichen Kommunen und Verwaltungen unterschiedlich bewertet werden:
- Welche Probleme sollen mit dem DMS gelöst werden?
- In welche Fachverfahren und Prozesse soll das DMS eingebunden werden?
- Sollen mit dem DMS selbst neue Fachverfahren geschaffen werden?
- Existieren generelle IT-Richtlinien der Kommune oder der Behörde mit Auswirkungen auf das DMS?
- Welches Budget steht für das Projekt zur Verfügung?
Letztendlich bedeutet das, dass eine Verwaltung, die erfolgreich ein DMS einführen will, nicht an einem strukturierten Auswahlverfahren vorbeikommt. Wie bekomme ich als Projektverantwortlicher aber heraus, welche Funktionalitäten und technischen Eigenschaften ein DMS haben muss, damit es optimal auf die fachlichen/funktionalen und technischen Anforderungen der kommunalen Verwaltungen bzw. Behörden abgestimmt ist, und in welche Phasen gliedert sich ein strukturiertes Auswahlverfahren?
„Wir hatten 7 DMS-Anbieter für eine Produktdemo in unsere Verwaltung eingeladen. Aber anstatt mehr Klarheit über die einzelnen DMS-Produkte zu bekommen, sind wir nun nach den Präsentationen noch verwirrter als vorher. Wir sehen ja gar keine Unterschiede mehr in den Produkten“ beklagt sich ein IT-Fachbereichsleiter einer Kreisverwaltung. Interessant ist, dass dieses kein Einzelfall ist, sondern eher die Regel darstellt. Viele unserer Kunden bzw. Interessenten bestätigen, dass bei Recherchen auf Fachmessen, dem Studieren von Produktbroschüren und selbst bei mehrmaligen Produktdemonstrationen die grundsätzlichen funktionalen und technischen DMS-Produktunterschiede nicht deutlich werden.
Dieser Fakt ist gut zu verstehen, denn der Begriff DMS (Dokumenten Management System) ist in seinem Gebrauch „semantisches Freiwild“. Anders als z.B. ein Textverarbeitungsprogramm oder eine Tabellenkalkulation lässt sich ein DMS nicht genau umschreiben. Daher wird der Begriff – vor allem von den DMS-Anbietern selbst – in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen benutzt und vor allem auch unterschiedlich interpretiert und verstanden.
In Onlineshops werden beispielsweise Dokumenten Management-Produkte bereits ab 29,99 € feil geboten (suchen Sie einfach mal nach dem Stichwort „Dokumenten Management“). Wohl jeder, der heute einen Computer besitzt, verwaltet seine elektronischen Dokumente mit Hilfe des Windows Explorers. Fast allen Scanngeräten liegen heute Programme zum Verwalten der gescannten Dokumente bei. Einige eingesetzte Fachverfahren in Kommunen oder öffentlichen Behörden besitzen Module zum Managen von Dokumenten aus den Verfahren selbst wie z. B. in einigen Bau-Fachverfahren oder Ratsinformations-/Sitzungsdienstanwendungen. Andere Anbieter von Fachanwendungen kooperieren direkt mit Herstellern von elektronischen Archivsystemen und bieten diese elektronische Archivierung als OEM für ihre Fachverfahren an. Häufig wissen die Verantwortlichen in den Verwaltungen bzw. Behörden dann gar nicht, dass sie bereits ein System zur elektronischen Archivierung einsetzen, da dieses System als Teil des Fachverfahrens verkauft bzw. betrieben wird (z. B. in Fachverfahren der Zulassungsstellen).
Verständlich, dass es da zu Begriffsverwirrungen kommen kann. Daher empfiehlt sich bei Auswahlprojekten, innerhalb eines Workshops zunächst Konsens über die spezifischen Begrifflichkeiten, Funktionsunterschiede und Einsatzbereiche von Dokumenten Management Systemen herbeizuführen. Ein Projektglossar, an dem sich alle DMS-Projektbeteiligten orientieren können, ist eines der Ergebnisse dieses Workshops.
Abbildung 1: Beispielhaftes Projektglossar
Erst danach beginnt die eigentliche Projektarbeit mit der Aufnahme der Ist-Situation und der Definition der DMS-Sollanforderungen. In der Praxis bewährte und an das Projekt angepasste Checklisten helfen, die benötigten Informationen zielgerichtet, mit geringem Aufwand und dennoch umfassend zu ermitteln:
Abbildung 2: Themen einer beispielhaften DMS-Checkliste
Empfehlenswert ist eine DMS-Anforderungserhebung über möglichst viele Fachbereiche in der Verwaltung bzw. Behörde, auch wenn in den ersten konkreten DMS-Umsetzungsprojekten ggf. nur einige wenige Fachbereiche betroffen sind. Durch diese Vorgehensweise können auch zukünftige Anforderungen an das DMS identifiziert werden, also die Anforderungen, die nicht direkt nach DMS-Einführung umgesetzt, aber definitiv irgendwann auf der DMS-Agenda erscheinen werden. Ergebnis der Anforderungsanalyse ist also nicht nur die Berücksichtigung der kurzfristig umzusetzenden DMS-Anwendungsprojekte, sondern auch der mittel- bis langfristigen DMS-Projekte. Die so identifizierten benötigten Funktionsmodule eines „geeigneten“ DMS und die ggf. notwendigen Integrationen in Fachverfahren können einfach aufbereitet und nachvollziehbar den Entscheidungsträgern präsentiert werden (siehe Abbildung 3).
Abbildung 3: Beispiele eines Landkreises
Die Praxis zeigt, dass die Gesamtbetrachtung der DMS-Anforderungen über die komplette Verwaltung mit erheblichen Vorteilen verbunden ist. Andernfalls könnte durchaus die Gefahr bestehen, dass ein DMS ausgewählt wird, das die zukünftigen Anforderungen weiterer Fachbereiche nicht ausreichend unterstützt. Hierdurch könnte in der Verwaltung entweder ein DMS-Migrationsprojekt anstehen oder ein weiteres DMS mit der fehlenden Funktionalität betrieben werden.
Im weiteren Verlauf einer DMS-Auswahl werden alle Ergebnisse der funktionalen und technischen Erhebungen in einer Projektbeschreibung dokumentiert. Aus den technischen Anforderungen wird ein technischer Anforderungskatalog mit einem transparenten und nachvollziehbaren Bewertungsschema generiert. Die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Bewertung ist für die Ergebnispräsentation vor einem Genehmigungsgremium (wie z.B. Rechnungsprüfungsamt, Vergabestelle, Kreisausschuss etc.) unbedingt notwendig und erleichtert erheblich das Zustimmungsverfahren dieser Gremien zum Ergebnis der DMS-Auswahl. Zu guter Letzt rundet eine Preisabfrage zu den DMS-Lösungen die Dokumentation der Ist-Aufnahme ab. Eine weitere Erläuterung zu den aufgeführten Dokumenten erfolgt im weiteren Verlauf des Artikels.
Generelle Darstellung des DMS-Auswahlverfahrens
Aus den Erfahrungen, die Zöller & Partner in vergangenen Auswahlprojekten sowohl im öffentlichen Bereich mit Kommunen und Verwaltungsbehörden als auch in der Privatwirtschaft gewonnen hat, soll im Folgenden zum einen der Best-Practice-Ansatz zur Systemauswahl dargestellt und zum anderen auf die Besonderheiten eines Ausschreibungsverfahrens im öffentlichen Bereich – Stichwort VOL/A – eingegangen werden, um zu zeigen, wie beides miteinander in der Praxis der Auswahlprojekte verbunden wird.
Wie einleitend dargestellt, hat sich ein Best-Practice-Vorgehen für DMS-Auswahlprojekte entwickelt. Dieses Vorgehen stützt sich auf die drei oben angesprochenen Dokumente:
- Die Projektbeschreibung: In der Projektbeschreibung werden die funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen des Kunden beschrieben. Der Detaillierungslevel der Beschreibung bewegt sich zwischen einem Lastenheft und einem Pflichtenheft.
- Die Preisabfrage: Basierend auf den in der Projektbeschreibung beschriebenen Anforderungen wird ein strukturiertes und detailliertes Preisabfragedokument erstellt. Hier werden zum einen die notwendigen Software-Lizenzen und zum anderen die Dienstleistungen erfragt.
- Der Anforderungskatalog: Der Anforderungskatalog ist ein Excel-Dokument, in dem ein Großteil der für das Projekt relevanten Informationen zum angebotenen System und dem Anbieter abgefragt wird. Bei den abgefragten Informationen handelt es sich um Angaben zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Anbieters, zu Referenzen, zur technischen Basis des angebotenen Systems und zu den Anwendungsfunktionen des Systems.
Im Herbst 2006 hat der VOI eine Übersicht mit 55 DMS-Produkten von 52 DMS-Herstellern herausgebracht (Dokumenten Management Systeme: Hersteller und Produktüberblick, September 2006; ISBN:3-932898-13-3; VOI Verband Organisations- und Informationssysteme, Bonn) – und diese ist angesichts der vielen Nischenprodukte nicht einmal vollständig. Um den Aufwand zur Angebotsbewertung in einem wirtschaftlich sinnvollen Rahmen zu halten, ohne die Qualität und die inhaltliche Tiefe der Ausschreibungsunterlagen zu minimieren, bietet sich in der Regel (falls ausschreibungstechnisch möglich) eine Vorauswahl von relevanten DMS-Anbietern an. Dieses führt erfahrungsgemäß in Systemauswahlprojekten zu einer Shortlist mit i. d. R. 5 – 6 in Frage kommenden Anbietern. Sprich, es sollte in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren ein Weg gefunden werden, die Bietergruppe auf die realistisch in Frage kommenden Anbieter zu beschränken. Daher wird im nächsten Abschnitt dargestellt, wie eine DMS-Auswahl im Rahmen einer Ausschreibung nach VOL/A auf Grundlage der beschriebenen Vorgehensweise durchgeführt werden kann.
Ausschreibung gemäß VOL/A
In der folgenden Tabelle sind die möglichen Vergabearten nach VOL/A dargestellt. Auf eine detaillierte Beschreibung der unterschiedlichen Vergabeverfahren wird an dieser Stelle verzichtet, da diese Kenntnisse beim Leserkreis als bekannt vorausgesetzt werden.
Nationale Verfahren | EU-weite Verfahren | |
Öffentliche Ausschreibung | Entspricht | Offenes Verfahren |
Beschränkte Ausschreibung | Entspricht | Nichtoffenes Verfahren |
Freihändige Vergabe | Entspricht | Verhandlungsverfahren |
Wettbewerblicher Dialog |
Vergabearten nach VOL/A
Die aufgeführten Vergabearten stehen grundsätzlich NICHT zur freien Auswahl, Vorrang hat zunächst die Öffentliche Ausschreibung bzw. das Offene Verfahren.
Dies bedeutet aber, dass jeder Anbieter, der davon überzeugt ist, die abgefragte Leistung erbringen zu können, ein Angebot abgeben kann und dieses Angebot ausgewertet werden muss. Wie im vorangegangenen Kapitel erläutert, kann dieses Vorgehen zu einem wirtschaftlich nicht mehr sinnvollen Auswertungsaufwand führen.
Daher lautet die erste generelle Empfehlung: Grundsätzlich ein Vergabeverfahren mit Teilnahmewettbewerb durchzuführen, um ausschließlich die Anbieter zur Angebotsabgabe aufzufordern, die auch geeignet sind, das entsprechende Projekt zu realisieren.
1. Im Bereich der nationalen Verfahren ist dies: Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb
2. Im Bereich der EU-weiten Verfahren ist dies: Nichtoffene Verfahren (das Verfahren impliziert den Teilnahmewettbewerb)
Im Teilnahmewettbewerb wird grundsätzlich die Eignung eines Bieters zur Durchführung eines Projektes geprüft. Da die Kriterien, die im Rahmen einer Eignungsprüfung zum Tragen kommen (bspw. wirtschaftliche Lage, Referenzen, technische Eignung etc.) de facto in allen Auswahlprojekten abgefragt werden, sind die Kriterien zu großen Teilen schon im Anforderungskatalog enthalten. Das bedeutet, dass der Anforderungskatalog in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren in zwei Teile getrennt und verwendet werden kann:
1. Teil: Kriterienkatalog zur Eignungsprüfung -> Katalog für den Teilnahmewettbewerb
2. Teil: Kriterienkatalog zur Leistungsprüfung -> Katalog für die eigentliche Angebotsaufforderung
Im nächsten Schritt erhalten die erfolgreich aus dem Teilnahmewettbewerb hervorgegangenen Anbieter (die so genannten „geeigneten“ Anbieter) die Angebotsaufforderung. Hier kommen die drei bereits beschriebenen Dokumente zum Einsatz:
1. Leistungsbeschreibung (Projektbeschreibung + einige spezifische Kapitel für die öffentliche Ausschreibung)
2. Kriterienkatalog (Anforderungskatalog, der auf die Kriterien zur Leistungsprüfung reduziert ist)
3. Preisblätter / Preisabfragen
Für den Ausschreibenden ergibt sich neben der eigentlichen inhaltlichen Erarbeitung der Ausschreibungsdokumente eine weitere Aufgabe: Bis zum Abgabeschluss für die Teilnahmeanträge müssen alle bewertungsrelevanten Informationen definiert und bei der Vergabestelle hinterlegt sein. Das bedeutet, dass alle Bewertungsmaßstäbe für die Bewertung der Antworten im Kriterienkatalog anzugeben sind. Weiterhin muss die so genannte Bewertungsmatrix definiert und veröffentlicht werden. Aus dieser Matrix muss für den Bieter ersichtlich sein, welche Angebotsinhalte bewertet werden, wie diese untereinander gewichtet werden und wie sich die Gesamtbewertung aus fachlich-technischer Bewertung und kaufmännischer Bewertung zusammensetzt. Die Bewertung der Angebote hat gemäß den veröffentlichten Bewertungsmaßstäben und Gewichtungen zu erfolgen.
Gerade bei Software-Projekten und bei DMS-Projekten im Speziellen, zeigen die Erfahrungen, dass nicht alle für eine Systemauswahl relevanten Kriterien in einem Katalog abgefragt und bewertet werden können. Ergonomie kann nicht abgefragt werden! Zum einen wird sicher kein Anbieter antworten, dass sein Client nicht ergonomisch sei und zum anderen unterscheidet sich das, was Anwender als ergonomisch empfinden, deutlich von Anwender zu Anwender. Daher lautet die Empfehlung: Grundsätzlich Bieterpräsentation einplanen! Auch hier gilt wieder der Grundsatz, dass sich der Aufwand in einem wirtschaftlich sinnvollen Rahmen bewegen sollte, d.h. es ist erfahrungsgemäß nicht zielführend, alle Bieter zu einer Bieterpräsentation einzuladen, sondern nur die zwei bis drei Anbieter, die nach der funktionalen Auswertung führend sind.
Im Rahmen der Bieterpräsentation sollten die für das Projekt relevanten Kernfunktionen des DMS live präsentiert und bewertet werden. Wurde beispielsweise im Angebot angegeben, dass eine DMS-Integration in ein von der Verwaltung eingesetztes Fachverfahren ein Produktstandard sei, dann sollte diese Schnittstelle auch präsentiert werden können.
Da für den Projekterfolg einer DMS-Einführung die Akzeptanz der Endanwender eine große Rolle spielt, sollten diese auch an der Bieterpräsentation teilnehmen und die Präsentation bewerten. Die Ergebnisse der Bieterpräsentation fließen dann in die Gesamtbewertung – so wie in der Bewertungsmatrix definiert – ein.
Nach Bewertung aller Kriterien liegt eine Rangfolge der Bieter vor, so dass die Vergabeempfehlung für das wirtschaftlichste Angebot ausgesprochen werden kann.
Am Beispiel der national beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb sollen die einzelnen Ausschreibungsphasen und die dafür typischen Werkzeuge zur DMS-Auswahl zusammenfassend dargestellt werden.
Abbildung 4: DMS-Ausschreibungsphasen und typische Projektwerkzeuge
Was ist eigentlich mit DOMEA?
DOMEA steht für Dokumenten Management und elektronische Archivierung im IT-gestützten Geschäftsgang. Vorab bemerkt: Es besteht keine rechtliche Verpflichtung für Behörden mit dem DOMEA-Konzept zu arbeiten, sondern es handelt sich um ein Modellprojekt.
In einigen DMS-Auswahlprojekten wird die Frage gestellt, ob man überhaupt, wie vorangegangen beschrieben, ausschreiben müsse, oder ob es nicht auch ausreicht, eine Ausschreibung mit einem einzigen K.-o-Kriterium durchzuführen: DOMEA-zertifiziert? Die Erwartungshaltung ist, dass ein DMS mit DOMEA-Zertifikat per se die DMS-Anforderungen des Ausschreibenden erfüllt und dann einfach nach dem Preis entschieden werden kann.
Unsere Erfahrung in Auswahlprojekten in den Kommunen und Verwaltungen zeigt aber, dass diese Erwartungshaltung nicht zutreffend ist. Zum einen wird die Anzahl der in Frage kommenden DMS-Anbieter schon im Vorfeld sehr stark eingeschränkt (momentan sind insgesamt 5 DMS-Anbieter nach dem DOMEA 2.0 Zertifizierungsverfahren erfolgreich geprüft), zum anderen unterscheiden sich die Anforderungen der unterschiedlichen Kommunen signifikant. Es zeigt sich immer wieder, dass die kritischen Anforderungen in den Systemauswahlprojekten vor allem in den Integrationen in die Fachverfahren liegen. Soll in einer Kommune das Fachverfahren A mit dem DMS integriert werden, ist ein Anbieter, der sein System schon mehrfach mit dem Fachverfahren A integriert hat, aber keine DOMEA-Zertifizierung vorweisen kann, offensichtlich eher geeignet als ein Anbieter, der eine DOMEA-Zertifizierung besitzt aber noch keine Integration mit dem relevanten Fachverfahren vorweisen kann.
Abschließend sollte berücksichtigt werden, dass das DOMEA-Konzept mit dem DOMEA-Anforderungskatalog kein „Patentrezept“ für die Auswahl eines Vorgangsbearbeitungssystems darstellt, sondern lediglich einen Katalog von funktionalen Anforderungen beinhaltet, der einer behörden-internen Überprüfung und Anpassung bedarf. Aus diesem Grund ist das eingangs in diesem Abschnitt beschriebene Vorgehen erfahrungsgemäß eher weniger geeignet, das am besten geeignete System für eine Kommune bzw. für eine Verwaltung auszuwählen.
Weitere Informationen zu DOMEA sind auf den folgenden Web-Seiten des BMI zu finden:
Allgemeine DOMEA-Informationen
Auflistung der DOMEA 1.2 und 2.0 zertifizierten Schriftgutverwaltungssysteme