Autor: Thorsten Brand
Einleitung
Im Umfeld von elektronischen Rechnungen tut sich etwas. Neue Vorschriften fordern den Einsatz von elektronischen Rechnungsformaten, auch an den Formaten selbst wird gearbeitet. Gemeint sich hierbei nicht einfache Rechnungen im PDF-Format, sondern strukturierte Rechnungsformate, wie ZUGFeRD (Zentrale User Guides des Forums elektronische Rechnung Deutschland) oder XRechnung.
Mit dem gerade verabschiedeten Wachstumschancengesetz wird der breite Einsatz von elektronischen Rechnungsformaten im B2B-Bereich für die nächsten Jahre geplant. Hintergrund ist die EU-Mehrwertsteuerreform und das Maßnahmenpaket ViDA („VAT in the digital age“) zur Modernisierung des Mehrwertsteuersystem der EU. Bis 2028 soll ein zeitnahes Meldesystem für Rechnungsumsätze zur besseren Bekämpfung von Umsatzsteuer-Betrug geschaffen werden. Und dafür benötigt man elektronische Rechnungsdaten.
Ab dem 1. Februar 2024 gilt ein neues Format für XRechnungen. Mit der Version 3.0.1 ist ein neues Major-Release erschienen, welches einige Änderungen mit sich bringt. Es wurden neue Pflichtfelder gegenüber der bisher gültigen Version 2.3.1 definiert, bspw. für die elektronische Adresse von Sender und Empfänger (BT-34 und BT-49) oder den Geschäftsprozess-typ (BT-23) als wichtige Merkmal für die Art der Rechnung.
Man sieht also: In dem Thema ist Bewegung! Ein guter Grund, sich die Neuerungen einmal genau anzusehen, um zu bewerten, ob man mittelfristig auf die OCR- und Erkennungsprodukte für ein Eingangsrechnungsverarbeitung verzichtet kann.
Probleme bei der Erkennung von Rechnungsdaten
Eigentlich ist die aktuelle Praxis anachronistisch: Rechnungsdaten liegen beim Rechnungsersteller zwar als strukturierte Daten vor und werden beim Rechnungsempfänger auch als strukturierte Daten zur sicheren, fehlerfreien Erfassung und Verbuchung benötigt. Nun kommt als Übertragungsprozess ein Blatt Papier oder eine kaum strukturierte PDF-Datei zum Einsatz. Strukturierte Rechnungsdaten des Absenders werden konvertiert in augenlesbare, aber unstrukturierte Dokumentinformationen, um diese beim Empfänger dann wieder mit hohem Aufwand in strukturierte Daten zurückzuwandeln.
Wenn man die Rückumwandlung nicht manuell durchführen möchte, helfen seit Jahren Softwarelösungen der Kategorie Rechnungsleser oder Invoice-Management, die Dokumentenklassifikation und Datenextraktion durchführen und die Daten und Dokumente nachgelagerten ERP- und ECM-Systemen zuführen.
Anwender, die diese Softwareprodukte zur elektronische Rechnungsverarbeitung im Einsatz haben, kennen die damit verbundenen Probleme. Rechnungsnummern oder Rechnungs-summen sind gut zu erkennen. Es gibt auch Erkennungstemplates für verbreitete Kreditoren. Wenn aber Rechnungspositionen oder spezielle Daten aus Rechnungen ausgelesen werden müssen, ist oft eine Korrektur und ein Training der Erkennungsergebnisse erforderlich.
Besonderheiten, wie ausländische Rechnungen, Rechnungen mit mehreren Steuersätzen oder die korrekte Erkennung und Trennung von Rechnungsanlagen (Leistungsnachweise, Aufmaße, Protokolle, Pläne, AGBs etc.) kommen hinzu. Bei Rechnungen, die als Papier ins Unternehmen kommen, gibt es noch die typischen Probleme des Scan-Prozesses (Qualität, Vollständigkeit etc.).
Egal wie gut die Scan-, Erfassungs- und Trainingsprozesse sind, ein strukturiertes elektronisches Rechnungsformat ist besser! Alle Daten werden in XML-Dateien geliefert. Rechnungs-anlagen sind klar zu identifizieren, Tipp- oder Erkennungsfehler entfallen. Beim ZUGFeRD-Format ist sogar noch eine bildliche Repräsentation der Rechnung enthalten.
Kurze Geschichte der elektronischen Rechnungen
Mit dem EDI-Format (Electronic Data Interchange) konnte bei großen Datenmengen unter bestimmten rechtlichen Rahmenbedingungen bereits seit Mitte der 70er Jahren ein elektronischer Austausch von strukturierten Rechnungsdaten erfolgen.
Ein weiterer Meilenstein kam 2011: Mit dem Steuervereinfachungsgesetz wurden elektronische Rechnungen ohne digitale Signatur und ohne besondere vertragliche Regelungen vor-steuerabzugsfähig, die früher notwendige qualifizierte elektronische Signatur entfiel. Das war eine massive Vereinfachung. Eine einfache E-Mail mit allen Pflichtangeben gemäß §14 UstG genügt. Diese können in einem E-Mail-Body oder einem PDF-Anhang enthalten sein, beides einfach zu erstellen und einfach zu versenden. Was immer noch fehlte, war die automatische Verarbeitbarkeit beim Empfänger, ohne den oben beschriebenen Medienbruch und den damit verbundenen manuellen Erfassungs- und Korrekturaufwendungen bei „Ratefehlern“ der Erkennungsprodukte.
Eine weitere wichtige Neuerung kam mit dem E-Rechnungsgesetz und der E-Rechnungsverordnung ab dem Jahr 2014. Sie schreiben im B2G-Bereich (Business-to-Government) strukturierte Rechnungsformate an Bundesbehörden vor – abhängig von Betragsgrenzen, was die XRechnungpflicht für nachgelagerte Behörden auf Landes- und kommunaler Ebene nach sich zog. Ab 2018 durften, ab 2020 mussten Auftragnehmer den Behör-den strukturierte elektronische Rechnungen stellen. Hierbei wurden die so genannte XRechnung zum Standard für die eine nationale Umsetzung des EU-Rechnungsstandards CEN 16931 in Deutschland. Auch kann das PEPPOL-Netzwerk (“Pan-European Public Procurement OnLine“) für die Übertragung genutzt werden.
Das Wachstumschancengesetz
Mit dem Wachstumschancengesetz kommen neue Bestimmungen zur Rechnungsstellung für das inländische B2B-Geschäft (Business-to-Business). Es erfolgt eine Neudefinition des Be-griffs der „elektronischen Rechnung“. Unterschieden wird zwischen elektronischen Rechnungen und sonstigen Rechnungen. Eine elektronische Rechnung ist danach eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und somit eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Dieses strukturierte Format muss der europäischen Norm CEN 16931 für die elektronische Rechnungsstellung und der Liste der entsprechenden Syntaxen gem. RL 2014/55/EU entsprechen.. Derzeit sind dies die Formate XRechnung und ZUGFeRD für Deutschland. Sonstige Rechnungen wären die altbekannten Papierrechnungen, aber auch Rechnungen, die in einem anderen elektronischen Format übermittelt werden, also auch die per E-Mail versandte PDF-Rechnung.
Die neuen Definitionen gelten ab dem 01.01.2025, auch wenn die Verpflichtung zur elektronischen Rechnungstellung hiervon zeitlich abweicht. Man kann sich aber schon einmal an die neue Definition gewöhnen…
Die Schritte zur Umstellung auf ausschließlich strukturierte Rechnungsformate bis 2028 sind wie folgt:
Zeitliche Vorgaben für Rechnungsempfänger
Jahr | Papierrechnung | E-Rechnung gemäß CEN EN 16931
(ZUGFeRD, XRechnung) |
Andere elektronische Rechnungsformate (Bsp. PDF-Rechnung per E-Mail) | EDI-Format |
2025 | Zulässig | Annahmepflicht | Zulässig (bei Zustimmung) |
Zulässig (bei Zustimmung) |
2026 | Zulässig | Annahmepflicht | Zulässig (bei Zustimmung) |
Zulässig (bei Zustimmung) |
2027 | Nur zulässig, wenn Umsatz des Kreditors <800T€ im Vorjahr | Annahmepflicht | Nur zulässig, wenn Umsatz des Kreditors < 800T€ im Vorjahr | Zulässig (bei Zustimmung) |
2028 | Nicht zulässig | Annahmepflicht | Nicht zulässig | Nur zulässig, wenn Datenbereitstellung im CEN-Format erfolgt |
Zeitliche Vorgaben für Rechnungsversender
Jahr | Papierrechnung | ZUGFeRD, XRechnung
(Elektronische Rechnung gemäß CEN EN 16931) |
Andere elektronische Rechnungsformate (Bsp. PDF-Rechnung per E-Mail) | EDI-Format |
2025 | Zulässig | Zulässig | Zulässig (bei Zustimmung) |
Zulässig (bei Zustimmung) |
2026 | Zulässig | Zulässig | Zulässig (bei Zustimmung) |
Zulässig (bei Zustimmung) |
2027 | Nur zulässig, wenn eigener Gesamtumsatz mit Debitor <800T€ im Vorjahr | Zulässig | Nur zulässig, wenn eigener Gesamtumsatz mit Debitor <800T€ im Vorjahr | Zulässig (bei Zustimmung) |
2028 | Nicht zulässig | Verpflichtend | Nicht zulässig | Nur zulässig, wenn Datenbereitstellung im CEN-Format erfolgt |
Besonderheiten:
- Für Kleinbetragsrechnungen von unter 250 Euro und Fahrausweise sind weiterhin auch andere Rechnungsformate zulässig.
- Weiternutzung des EDI-Formates: Wenn ein anderes strukturiertes Format die Extraktion der nach UStG erforderlichen Angaben ermöglicht, und das Ergebnis der europäischen Norm CEN-Norm EN 16931 entspricht, ist auch dieses weiterhin zulässig.
An den Zustimmungsregeln für den Empfang von elektronischen Rechnungen ändert sich nichts (Abschnitt 14.4 Abs. 1 S. 2 UStAE): „Die Zustimmung des Empfängers der elektronisch übermittelten Rechnung bedarf dabei keiner besonderen Form […]“. Die Zustimmung ist auch in Form einer Rahmenvereinbarung möglich, z.B. AGB oder auch durch die alltägliche Praxis, also stillschweigende Billigung.
Das Bundesministerium der Finanzen hat bereits während des Verabschiedungsprozesses des Gesetzes Umsetzungshinweise in einem BMF-Schreiben veröffentlicht (2023/0922192). Es geht konkret darum, ob die beiden Formate ZUGFeRD und XRechnung den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Ergebnis: Beide sind zulässig und entsprechen der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung und der Liste der entsprechenden Syntaxen gemäß der Richtlinie 2014/55/EU vom 16.04.2014. Wichtige Klarstellung in diesem Schreiben: Bei hybriden Rechnungsformaten (sprich ZUGFeRD) soll künftig der strukturierte Teil der maßgebliche sein. Trotz dieser Festlegung bleibt dies ein spannendes Thema, da der Rechnungsempfänger sicher sein muss, dass die angezeigten Daten auch den Daten in der XML-Struktur entsprechen.
Typische Umsetzungsthemen der Einführung bei strukturierten elektronischen Rechnungen
Bei den Einführungs- und Umsetzungsthemen muss zwischen der Eingangs- und Ausgangverarbeitung unterschieden werden. Es gibt aber auch Themen, die für beide Verarbeitungsstrecken relevant sind.
In der folgenden Tabelle sind einige beispielhafte Aspekte aufgeführt:
Bereich | Thema |
Eingangs- und Ausverarbeitung |
|
Eingangs- verarbeitung |
|
Ausgangs- verarbeitung |
|
Fazit
Die aktuellen Regelungen und der Ausblick auf die EU-Mehrwertsteuerreform bis 2028 haben ein großes Potential, dass sich strukturierte elektronische Rechnungsformate weiter verbreiten. Dass die Empfangspflicht kommen wird, ist unstrittig. Für die Unternehmen besteht die berechtigte Hoffnung, dass die eingesetzten Fakturierungsprodukte diese Formate mittelfristig unterstützen werden. Große Kreditoren werden bereits vor 2028 die Anlieferung in diesen Formaten von ihren Lieferanten fordern.
Die Umsetzungsfristen im Wachstumschancengesetz sind insgesamt zwar ausreichend, um eine Umstellung zu planen und den Anteil an nicht automatisiert verarbeitbaren Rechnungen immer weiter zu reduzieren. Aber ab 1.1.2025 können strukturierte elektronische Rechnungen im Unternehmen eingehen, die man eigentlich nicht mehr ablehnen kann. Dies ist ein guter Grund, sich bereits jetzt um diese Empfangspflicht zu kümmern.