Die öffentliche Verwaltung gilt als einer der größten Zielmärkte für ECM-Lösungen. Es gibt die von der Bundesregierung ins Leben gerufene Initiative „BundOnline 2005“ und das neue Schlagwort eGovernment. Seit Jahren existiert ein Konzept zum „papierarmen Büro“ in der öffentlichen Verwaltung – DOMEA. Wie weit hat sich diese Idee in den Behörden bisher durchgesetzt? Wo befinden sich potenzielle Einsatzbereiche?
Maßstab
Seit 1996 wurde von der Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung (KBSt) das Konzept „Papierarmes Büro“ (DOMEA-Konzept) entwickelt und Mitte 2000 vorgestellt. Neben organisatorischen Vorschlägen für die IT-gestützte Vorgangsbearbeitung ist darin auch ein generisches Leistungsverzeichnis (Anforderungskatalog) für die Beurteilung von Produkten enthalten. Dieses Konzept, aktuelle Version 1.2, hat für Behörden keinen bindenden Charakter, sondern soll als Unterstützung und Vereinfachung des Auswahlverfahrens bei der Beschaffung eines ECM-Systems dienen.
ECM-Anbieter können ihre Lösungen durch die KBSt zertifizieren lassen. Bis heute wurden 8 Lösungen zertifiziert. Diese Zahl steht allerdings im krassen Gegensatz zu der Anzahl zertifizierter ECM-Lösungen z.B. für die ArchiveLink-Schnittstelle. Sind die Anforderungen zu komplex oder spielen andere Faktoren dabei eine Rolle?
Einsatzschwerpunkte
Typisch im Bereich der öffentlichen Verwaltungen ist die Verwaltung von Dokumenten in Aktenstrukturen. Die Ablage wird oft durch behördenspezifische Ablagepläne vorgegeben. In der Realität geht es aber nicht immer darum alle papiergebundenen Prozesse in einer Behörde elektronisch abzubilden, sondern zunächst in bestimmten Bereichen, z.B. mit Massenbearbeitung, die Arbeitsabläufe zu beschleunigen und Reibungsverluste zu minimieren.
Der größte Nutzen kann dort eher in einer automatisierten Erfassung von Formularen liegen und weniger in der Archivierung und Langzeitaufbewahrung dieser Dokumente.
Andere Bereiche profitieren mehr von der schnellen Verfügbarkeit von bereits vorhandenen Unterlagen am Arbeitsplatz. Dort reicht als Nutzenbringer schon eine zentrale ECM-Lösung mit Recherchemöglichkeit in elektronischen Akten.
Daher werden die meisten der heute installierten ECM-Systeme bei Kommunen, Behörden oder öffentlichen Unternehmen entweder abteilungs- oder vorgangsbezogen eingesetzt. „Unternehmensweit“ eingesetzte Lösungen gibt es wie auch in der Privatwirtschaft so gut wie nicht.
Herausforderungen
In Zeiten knapper Kassen muss überall gespart werden. Dies gilt auch und gerade für die öffentliche Verwaltung, die hier eine besondere Verantwortung trägt. Abgesehen von langen Entscheidungsphasen, Fragen der Budgetierung, gesetzlichen Rahmenbedingungen sollten sich Unternehmen im öffentlichen Bereich Gedanken über den gezielten Einsatz von ECM-Technologie in den eigenen Bereichen machen. Zu den klassische „Verdächtigen“ zählen z.B. Vorgänge mit Massenverarbeitung (Formulare), Vorgangsbearbeitung mit Beteiligung unterschiedlicher Personen in unterschiedlichen Abteilungen oder stark auskunftspflichtige Bereiche mit permanenter Recherche in vorhandenen Aktenbeständen. Die Trennung von lieb gewonnenen Abläufen, soweit nicht in Konflikt mit gesetzlichen Vorgaben oder Vorschriften, darf dabei kein Hindernis sein.
Eine besondere Herausforderung stellen sicherlich Projekte mit Anforderungen zur Kommunikation zwischen unterschiedlichen Behörden evtl. länderübergreifend mit unterschiedlichen Anwendungsumgebungen und Schnittstellen dar.
Ausblick
Nur wenige ECM-Hersteller werden sich auch in Zukunft für das DOMEA-Konzept zertifizieren lassen, da z.T. ein erheblicher Teil an Aufwänden für die Anpassung von ECM-Standardprodukten damit verbunden ist. Trotz einer Zertifizierung unterscheiden sich die Produktangebote zum Teil erheblich in wesentlichen Funktionen wie z.B. Erfassungskomponenten für eingehende (Capture) und ausgehende (COLD) Dokumente oder Funktionen der Aktenverwaltung. Eine DOMEA-Zertifizierung sollte zwar ein wichtiges Auswahl- aber kein K.-o.- Kriterium bei der Beurteilung einer geeigneten ECM-Lösung sein. Das DOMEA-Konzept kann aber wichtige Anhaltspunkte für die Erstellung eines eigenen Anforderungsprofils liefern.
Wichtig ist immer eine genaue Analyse der Funktions- und Integrationsanforderungen bezogen auf die jeweils behördenspezifische Anwendungsumgebung und eigene Verfahren zu erstellen und anschließend die Produktangebote danach kritisch zu beurteilen.