In den letzten Jahre häufen sich Produkt-Ankündigungen selbst großer EDV-Hersteller von „Collaboration“-Produkten. Unter diesem Begriff werden Funktionen zusammengefasst, die die Zusammenarbeit von Arbeitsgruppen verbessern sollen, vor allem in projektgetriebenen Umgebungen. Allerdings ist der Begriff „Zusammenarbeit“ nicht fest umrissen – und so sind auch die Collaboration-Produkte inhaltlich nur begrenzt miteinander vergleichbar. Im vorliegenden Artikel wird eine Einteilung der Produkte und Angebote vorgenommen und es werden typische und untypische Funktionen erläutert.
Die Gartner Group bündelt Collaboration-Komplettlösungen begrifflich in sog. „SES – Smart Enterprise Suites“ und definiert folgende Dreiteilung des Marktes (vgl. Simon Hayward, Gartner Group: „Smart Enterprise Suites: Coming to an Enterprise Near You“, AV-19-4654, 2003):
- Produkte von Infrastruktur-Herstellern wie IBM, Microsoft und Oracle;
- Produkte von Herstellern, die Funktionen in „Vorgänger“-Märkten, wie Knowledge-Management (z. B. OpenText), Portal Software und Content Management (z. B. Plumtree) entwickelt haben oder durch Zukauf erworben haben (z. B. Vignette / Epicentric);
- Komponenten von Anwendungssystemen, die man zunächst in diesem Marktsegment nicht vermutet hätte, wie SAP (durch Enterprise Portal), Peoplesoft und Siebel.
Neben diesen „Suites“ gibt es jedoch nach unserer Beobachtung eine weitere Gruppe von Produkten für einzelne Collaboration-Teilfunktionen, die entweder Stand-Alone oder in Kombination mit anderen Collaboration Suites verwendet werden, wie z.B. die Web-Conferencing und Online-Meetings Funktionen von web-ex.
Die Daseinsberechtigungen dieser unterschiedlichen Ansätze werden verständlicher, wenn man betrachtet, welche Probleme mit „Collaboration“-Produkten gelöst werden: Arbeitsgruppen in Unternehmen und insbesondere Arbeitsgruppen, die über Unternehmensgrenzen hinausgehen, leiden selbst heute noch unter einer nicht zielgerichteten Kommunikation: Unternehmen können zwar für interne und externe Abstimmungen immer mehr Kommunikationskanäle wählen (Telefon, Handy, E-Mail, Dateiaustausch, elektronische Kalender, SMS, Chat etc.), jedoch findet der Informationsaustausch über diese Kanäle nicht zielgebündelt, sondern punktuell statt:
Jeder Teilnehmer besitzt neben der Kommunikationsumgebung eine davon getrennte persönliche Ablage für die dauerhafte Verwaltung der übermittelten Informationen, sowohl als papiergebundenes Dokument in einem herkömmlichen Aktenordner als auch als Datei im Dateiverzeichnis oder als E-Mail in der persönlichen E-Mail-Umgebung.
Problem der redundanten Datenablagen
Dies führt zu redundanten Datenablagen, die einen rasanten Anstieg der benötigten Speicherplatz-Ressourcen nach sich ziehen. Eine weitere Folge dieser dezentralisierten Informationssammlung besteht jedoch in der anwachsenden Schwierigkeit, fachliche Zusammenhänge zu ordnen und auf die wirklich aktuellen Informationen schnell zugreifen zu können: „Liegt die letzte, aktuelle Version eines Fachkonzepts im persönlichen E-Mail Posteingang, im Dateiverzeichnis oder bereits im E-Mail Postausgang?“, lautet hier eine typische Fragestellung.
Zudem sind die Kommunikationseinheiten innerhalb der verschiedenen Kanäle nur auf die aktuelle Verbindung ausgerichtet und berücksichtigen nicht den betrieblichen Kontext: Wer seinen eigenen E-Mail Posteingang analysiert wird schnell feststellen, dass E-Mails vor allem chronologisch geordnet sind, aber gerade den fachlichen Zusammenhang nicht darstellen können.
Klassisch nutzen Anwender gerade E-Mail Systeme als Transport- und Abstimmungsmedium für Inhalte, die häufig an anderen Orten redundant gespeichert werden (wie Dateien oder Kalender-Einträge). Zu einem Albtraum werden Diskussionen, die über mehrere Beteiligte hinweg rein auf Basis von E-Mails geführt werden: Allzu schnell ist die Übersicht verloren, Argumentationsketten sind nicht nachvollziehbar und ein Abstimmungsergebnis ist nicht erkennbar oder erst gar nicht vorhanden.
„Collaboration Tools“ setzen genau an diesen Schwachstellen an und helfen dem Anwender, Informationen zentral bereitzustellen und Kommunikation zielgerichteter, d.h. unmittelbar bezogen auf den konkreten fachlichen Hintergrund durchzuführen. Die Diskussion um die Tragfähigkeit eines Fachkonzepts wird hierbei direkt am Ort der Dokument-Ablage geführt und ist als solche mit allen Pro- und Contra-Argumenten vollständig nachvollziehbar. Das Dokument, über das diskutiert wird, ist hierbei in allen Versionen in seiner Entstehungsgeschichte festgehalten; selbst die Rückkehr zu einer Vorgängerversion wird möglich. Aus persönlichen Kalendern werden Projekt-Kalender, aus persönlichen Kontakten werden Team-Kontakte, aus persönlichen Dateiablagen werden Projekt-Dateiablagen.
Häufig helfen Oberflächen-Markierungen (z. B. Icons) dem Anwender zu erkennen, welche Dateien oder Daten sich seit seinem letzten Besuch im Ablagebereich geändert haben. In einigen Systemen kann der Anwender zusätzlich Dateien, Diskussionen oder Ablagebereiche „abonnieren“ und wird über E-Mail oder beim nächsten Besuch aktiv zu den zwischenzeitlich durchgeführten Änderungen geleitet.
Dokumenten Management-Funktionen in Collaboration Suites
Fast alle „Collaboration Suites“ bieten „klassische“ Dokumenten Management-Funktionalitäten zur geordneten Erstellung von Dokumenten: Diese beinhaltet zumindest eine gemeinsame Dokumentenablage, bei vielen Systemen überdies angereichert mit geordneter Versionsführung, Check-Out / Check-In-Funktionalität und nicht selten einer datenbankgestützten Dokumenten-Metadatenverwaltung mit entsprechender Index-Suchmöglichkeit. Somit verwundert es nicht, dass eine der oben genannten Hersteller-Gruppen aus der klassischen DMS-Anbieterschar entstammt: Mit „Collaboration“ ist vielleicht der natürliche Nachfolger des stets nebulösen Begriffs „Knowledge Management“ gefunden, denn hierbei wird das unstrukturiert vorliegende Wissen in den bezogenen Kontext gebracht und gebündelt bereitgestellt. Allerdings befinden sich DMS-Hersteller in diesem Markt in ganz neuen, ungewohnten Konkurrenzsituationen zu durchaus etablierten Anbietern (siehe oben).
Es ist an dieser Stelle zudem anzumerken, dass insbesondere jene DMS-Hersteller in den Collaboration Markt drängen, die zuvor reine DMS-Lösungen für die Verwaltung elektronischer Dokumente angeboten haben. Die Hersteller für Archivprodukte halten sich derzeit noch zurück, was das Interesse angeht, den Collaboration Markt aktiv mit zu gestalten. So ist auch zu erklären, dass kaum eines der angebotenen Collaboration Produkte mit einer herstellereigenen Scanner-Anbindung ausgestattet ist: Hier sind die Anwender auf die Integration von Drittprodukten angewiesen.
Collaboration als Groupware-Erweiterung
Einen anderen Ausgangspunkt für Collaboration stellen Groupware-Lösungen dar: So verwendet IBM / Lotus inzwischen nicht mehr den Begriff „Knowledge Management“, sondern stellt stattdessen den Begriff „Collaboration“ in den Vordergrund. Tatsächlich verwalten Groupware-Lösungen viele Elemente, die im Rahmen einer Collaboration Lösung ebenso verwendet werden und (lediglich) in einem geänderten Kontext dargeboten werden müssen. So ist es auch technologisch kaum verwunderlich, dass die von Oracle im Jahr 2002 auf den Markt gebrachte „Collaboration Suite“ zunächst den von Microsoft mit MS Exchange angestammten Groupware-Markt adressiert. Oracle hebt einerseits die angeblich günstigeren Gesamtkosten und andererseits das gegenüber MS Exchange angeblich erweiterte Funktionsspektrum in den Vordergrund. Begründet wird dies mit dem Oracle IFS (Internet Filing System) und der Möglichkeit, erweiterte Kommunikationskanäle bis hin zur Echtzeit-Kommunikation einzubinden. Teilweise deutlich unterscheiden sich die technologischen und architektonischen Ansätze der angebotenen Collaboration Produkte: Ein Großteil der am Markt erhältlichen Collaboration Suites nutzt ausschließlich den Web-Browser als Anwender-Oberfläche. Dieser Ansatz ermöglicht die Installation der Anwendungssoftware auf einem Web-Server und damit die schnelle und einfache Einbindung von externen Mitarbeitern (zum Beispiel Beratern, Programmierern, Ingenieuren, Architekten etc.) und Mitarbeitern in Heimarbeit.
Anbieter haben überdies die Option, ihre Programmfunktionen in dieser technischen Konstellation als ASP (Application Service Provider) selbst anzubieten oder über ASP-Partner zu vermarkten. Häufig stellt sich für Anwender web-basierter Lösungen einerseits der Vorteil ein, von jedem Platz der Welt auf die Infrastruktur zugreifen zu können, sobald eine Internetverbindung zur Verfügung steht. Fehlt jedoch diese Verbindungsmöglichkeit, so ist der Anwender häufig nicht in der Lage, auch nur Teile der gemeinsam verwalteten Informationen geordnet zu nutzen.
Synchrone vs. asynchrone Collaboration
Während Collaboration-Produkte zunächst wie eine einfache Erweiterung von Groupware-Funktionen erscheinen, zeigt sich bei genauerem Hinsehen schnell ein vielschichtiges Funktionsspektrum. So kann Zusammenarbeit grundsätzlich synchron oder asynchron erfolgen. Alle am Markt angebotenen Systeme unterstützen asynchrone Zusammenarbeit, bei der die Teilergebnisse von den einzelnen Beteiligten zu unterschiedlichen Zeitpunkten erstellt bzw. beigesteuert werden und die Collaboration Suite als Sammelbecken der Ergebnisse dient.
Einige Systeme bieten überdies synchrone Zusammenarbeitsfunktionen, die es den Anwendern erlauben, mittels der Collaboration-Plattform direkt zu kommunizieren. Hierunter fallen sowohl „klassische“ Instant-Messaging und Chat-Funktionen, aber auch Co-Editing Funktionen (das gemeinsame Erstellen und Editieren von z. B. Winword Texten über einen gemeinsam zugänglichen Arbeitsbereich und gleichzeitiger, identischer Bildschirminhaltsdarstellung), Web-Conferencing und Online-Meetings, bei denen Bildschirminhalte zumeist von einem Arbeitsplatz aus über das Netzwerk auf verteilte Arbeitsplätze reproduziert werden. Solche erweiterten Funktionen bedürfen allerdings entsprechend breit ausgelegte Netzwerkanschlüsse, damit der Austausch ohne lästige Wartezeiten und Verbindungsabbrüche vonstatten gehen kann. Eine technologische Sonderrolle nimmt Groove ein, das der ehemalige Notes-Entwickler Ray Ozzy als reine Collaboration-Umgebung auf den Markt gebracht hat. Dieses Produkt ist mehr oder weniger rein Client-basiert – Server werden vornehmlich zur Aufrechterhaltung der Kommunikation verwendet -, die Daten tauschen die angeschlossenen Clients direkt im Peer-2-Peer-Verfahren miteinander aus. Durch Ermittlung von Datei-Deltas gelingt es hierbei, lediglich die geänderten Daten zu übertragen und hierdurch die Netzwerkbelastung deutlich zu reduzieren.
Analyse nicht vernachlässigen
Insgesamt bieten Collaboration Suites wertvolle Zusatzfunktionen gegenüber einfachen Groupware- und auch gegenüber klassischen Dokumenten Management-Ansätzen. Wir gehen daher davon aus, dass sie dauerhaft einen Platz in der Unternehmens-Infrastruktur finden werden.
Bei der Konzeption einer Lösung sollten Anwender jedoch umsichtig vorgehen, die konkreten funktionalen und technologischen Anforderungen definieren und von diesem Punkt ausgehend die geeignete Produktlösung auswählen. Vor der Einrichtung ist zunächst ein Detailkonzept zu erarbeiten, das die funktionalen Möglichkeiten und die organisatorischen Gegebenheiten der Anwender berücksichtigt. Hierbei ist festzulegen, welcher funktionale und anwendungstechnische Ansatz zu wählen ist, und welche Integrationen in vorhandene Infrastruktur geboten werden sollen. Erst eine saubere Abgrenzung der neuen Collaboration Umgebung führt zu einer deutlichen Verbesserung projektgetriebener Arbeitsbereiche und schützt das Unternehmen vor der Einführung einer nicht-integrierten Funktionsinsel.