In Teil 1 der Artikelfolge zur Auswahl eines DMS-Produkts wurde herausgestellt, welche funktionalen Unterschiede zwischen Produkten bestehen, die dem Anwender zur Verfügung stehen.
Teil 2 richtet das Augenmerk stärker auf System- und Serverfunktionen, also für den Anwender eher unsichtbare und daher zunächst unwichtig erscheinende Aspekte.
Sobald jedoch unzureichende Serverfunktionen zu einem instabilen Betrieb führen oder die Kosten des Betriebs und der Betreuung scheinbar ins Uferlose wachsen, spüren auch Anwender die hohe Bedeutung der eher versteckten System- und Serverfunktionen. Zunächst ist die Komplexität der angebotenen DMS-Gesamtarchitektur kritisch zu beleuchten:
- Wie viele Komponenten und Services müssen betreut / überwacht werden? Viele Systeme bieten nicht nur einfache Ablage- und Zugriffsdienste, sondern darüber hinaus zum Beispiel Verknüpfungsdienste, Konvertierroutinen und weitere Serverprozesse. Für die Überwachung des Systems ist wichtig, dass diese über alle Komponenten und Services mit einheitlichen Werkzeugen erfolgen kann.
- Wie viele Server / Geräte bilden das Gesamtsystem und müssen im Rechenzentrum zu einem funktionierenden Ganzen gemeinsam betrieben werden? Die Ursachenanalyse für Fehlerzustände wird umso schwieriger, je mehr Komponenten zusammenspielen.
- Welche Auswirkung hat der Ausfall einzelner Komponenten? Welche Komponenten-Ausfälle führen zu einem Systemstillstand oder massiven Funktionseinbußen? Denkbar ist zum Beispiel, dass der Ausfall einer Konvertierroutine den kompletten Archivierungsdienst lahmlegt.
- Können einzelne Funktionen autark gestartet und beendet werden oder muss immer das gesamte System beendet und neu gestartet werden, wenn an einer einzelnen Komponente ein technisches Problem aufgetreten ist? Diese Fragestellung gewinnt mit zunehmender Benutzerzahl und Nutzungsfrequenz schnell an Bedeutung.
- Unter welchen Bedingungen kann das System in einem 24*7 Betrieb geführt werden? Wie häufig sind geplante Ausfallzeiten z. B. für einen Systemneustart vorzusehen? In welchen Abständen sind Wartungsintervalle einzuplanen?
System- und Serverfunktionen sind im Vergleich zu Client-Funktionen erheblich schwieriger zu bewerten, da sie mehr oder weniger versteckt ablaufen und kaum Oberfläche besitzen. Einzig die Administrationsoberfläche kann bezüglich ihrer Oberflächenfunktionen und -gestaltung bewertet werden.
Die Oberflächenfunktionen zur Systemadministration bilden daher einen geeigneten Einstieg in die Fragestellungen, die an den Anbieter zu richten sind, wie zum Beispiel:
- Für welche Systemfunktionen werden eigene Administrationsoberflächen bereitgestellt (z.B. Anlage von Systembereichen; Anlage von Wertelisten; Definition der Berechtigungsstrukturen)?
- Wie kann auf die Administrationsoberfläche zugegriffen werden? Ist insbesondere auch ein Remote-Zugriff möglich, so dass eine Systemunterstützung auch außerhalb der Kernarbeitszeit vom Home Office aus erfolgen kann?
- Welche Möglichkeiten zur Gestaltung des Zugriffsschutzes auf Administrationsfunktionen sind im System vorgesehen? Wie kann sichergestellt werden, dass die Administrationsfunktionen für zwei unterschiedliche Archivbereiche (z.B. Rechnungswesen und Personal) völlig getrennt nutzbar sind?
Die Integrierbarkeit eines DMS in die bestehende Infrastruktur des Rechenzentrums wird immer wichtiger. Inzwischen zählen Unternehmen viel mehr Komponenten zu dieser Infrastruktur als noch vor wenigen Jahren: Kaum ein Unternehmen nimmt heute noch ein Archivsystem in seinen RZ-Betrieb auf, das auf einer proprietären Datenbank basiert oder lediglich proprietäre Speichersysteme unterstützt. Den Laien muss daher erstaunen, dass es auch heute noch Archivsysteme gibt, die massiv auf proprietären Komponenten aufsetzen. Dieser Umstand ist zumeist mit der Produkthistorie zu erklären und der Tatsache, dass der betreffende Hersteller bislang noch nicht die notwendige Entwicklungsinvestition tätigen konnte, die Systembasis (vor allem die Metadaten- und Objektdatenspeicherung) für marktgängige Systemplattformen zu öffnen.
Immer wichtiger für den kostengünstigen RZ-Betrieb wird die Unterstützung von marktgängigen und im Unternehmen etablierten Software-Werkzeugen zur Systembetreuung. Hierzu gehören auf der Clientseite Systeme zur Software-Verteilung und auf der Serverseite die Unterstützung von Produkten zur Systemüberwachung und für das Backup-Management. Neben der Unterstützung konkreter im RZ eingesetzter Produkte ist auch die die Tiefe der Integration und die im DMS implementierten Systemüberwachungsmöglichkeiten abzufragen. Hierbei interessieren unter anderem folgende Fragestellungen:
- Welche Systemprozesse werden protokolliert und wie kann die Überwachung der DMS-Systemprozesse in die Überwachungsinfrastruktur des Unternehmens eingebunden werden?
- Welche Einstellmöglichkeiten existieren zur Organisation der Datenbestände auf Datenträgern? Welche Möglichkeit bietet das System, Datenbestände unterschiedlicher Archivbibliotheken zu trennen und auf unterschiedliche Datentöpfe zu verteilen?
- Nach welchem Regelwerk kann das Löschen von Objekten / Dokumenten eingerichtet werden? Wie wird das Löschen durchgeführt und welche Protokollierungsfunktionen unterstützen diese Arbeiten administrativ?
Die Abfrage und Bewertung von Server- und Systemeigenschaften verlangt ein hohes Verständnis der RZ-Abläufe und Kenntnis der IT-Standards im Unternehmen. Nicht immer sind diese klar formuliert und für Dritte einfach erkennbar. Eine Abstimmung zwischen dem Fachbereich, der die DMS-Lösung vornehmlich über die gebotenen Oberflächenfunktionen bewertet und dem IT-Bereich, der die Einhaltung strategischer Rahmenbedingungen und Standards fordert, sollte möglichst frühzeitig erfolgen, um eine Lösung auswählen zu können, die beide Aspekte bestmöglich unterstützt. Der ideale Anforderungskatalog enthält in der Konsequenz Auswahlkriterien aus beiden Bereichen.
Bei der Bewertung der Produktangebote kann ein gut gestalteter Anforderungskatalog zusätzlich durch Simulationsmöglichkeiten unterstützen und „was wäre wenn“-Auswertungen bieten: Diese erlauben sowohl die getrennte als auch die gemeinsame Bewertung von funktionalen und technisch-architektonischen Systemeigenschaften mit der Möglichkeit, die Bewertungsverhältnisse unterschiedlich zu gewichten. Das DMS-Produkt, das aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet einen stabilen Rang in der Spitzengruppe behält, kann dann als bester Kompromiss die Vorauswahl verlassen und in die abschließende Auswahlrunde einsteigen.
In der abschließenden Auswahlrunde werden idealer weise zwei konkrete DMS-Angebote einander gegenüber gestellt. Die offenen Fragen zum Angebot sind abschließend zu klären und die angebotene Lösung ist mit den Anbietern in getrennten Workshops zu konkretisieren.
Diese Workshops sind die ideale Gelegenheit, um neben Fragen zu den Anwendungsfunktionen insbesondere Details über Server- und Systemeigenschaften zu klären – dies ist auf Messen oder anderen öffentlichen Veranstaltungen aufgrund der technischen Detaillierung nach unserer Erfahrung kaum möglich.
Sollten Referenzen zurate gezogen werden, dann sollten auch dort Fragen nach dem Betrieb und dem notwendigen Betreuungsaufwand gestellt werden. Auch können erfahrene Kunden Anregungen geben, welche Systemplattformen vom Anbieter besser und welche möglicherweise weniger gut unterstützt werden: Was hilft es dem Anwender, wenn beispielsweise die gewünschte Datenbankplattform zwar generell vom Produkt unterstützt wird, der DMS-Hersteller allerdings bei jedem Problem auf Hilfen des Datenbankherstellers angewiesen ist und sich hierdurch Problembehebungen ständig verzögern?
Im abschließenden Teil der Artikelserie zur DMS-Auswahl werden typische Integrationskomponenten und notwendige API-Funktionen (Programmierschnittstellen) vorgestellt, die für einen reibungslosen und integrierten DMS-Betrieb notwendig sind.