Das Bundeskabinett hat am 02. Februar 2011 das Steuervereinfachungsgesetz beschlossen. Mit dem Gesetz setzt die Regierung die Vorgaben des EU-Ministerrates vom 13. Juli 2010 zur Änderung der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EC um und definiert entsprechende Änderungen für das deutsche Umsatzsteuergesetz.
Geändert wird hierdurch §14 des UStG, welches für den Vorsteuerabzug bei elektronischen Rechnungen bisher nur das EDI-Verfahren oder elektronische Dokumente mit qualifizierter elektronischer Signatur gemäß des Deutschen Signaturgesetzes vorsah. Durch die aktuelle Änderung werden die Anforderungen an Papierrechnungen mit denen an elektronische Rechnungen explizit gleichgestellt.
Beim Lesen des Gesetzestextes kann man leicht dem Trugschluss unterliegen, es hätte gar keine Änderung gegeben. Zwar wird §14 Absatz 1 wie folgt ergänzt: „…Rechnungen sind auf Papier oder, vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers, elektronisch zu übermitteln“. In Absatz 3 folgt dann aber: „Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren, gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhaltes, gewährleistet durch … qualifizierte elektronische Signatur oder elektronischen Datenaustausch (EDI)“. Das klingt nach bisher geltendem Recht. Aber um es mit den Worten eines Mitarbeiters der Bundesfinanzbehörde zu sagen: „Haben Sie schon einmal erlebt, dass ein Gesetzestext gut formuliert ist?“
Was also ist gemeint? Absatz 3 sagt aus, dass qualifizierte elektronische Signaturen und das EDI-Verfahren weiterhin zulässig sind und sich für den Nachweis von Authentizität und Integrität eignen. Zu den in diesem Absatz erwähnten anderen Verfahren gehören aber eben nicht nur die Papierrechnungen, sondern auch eine beliebige andere Variante von elektronischen Dokumenten, z.B. eine PDF- oder Text-Datei, wenn die Pflichtangaben einer Rechnung enthalten sind.
Pflichtangaben einer Rechnung
- den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers
- die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
- das Ausstellungsdatum
- eine fortlaufende Nummer (Rechnungsnummer),
- die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung
- den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung
- das nach Steuersätzen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung
- den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag
In der Erläuterung zum Gesetzesentwurf wird dies noch einmal klargestellt: „Im Ergebnis können zukünftig elektronische Rechnungen, die z.B. per E-Mail, als PDF- oder Textdatei (als E-Mail-Anhang oder Web-Download) übermittelt werden, zum Vorsteuerabzug berechtigen, ohne dass es einer elektronischen Signatur bedürfe.“ Elektronische Fax-Lösungen werden in diesem Zusammenhang übrigens auch erwähnt, so dass die leidige Diskussion bezüglich Standard-Fax-Geräten der Vergangenheit angehören dürfte. Das BMF-Schreiben vom 29. Januar 2004 und die Regelungen der Grundsätze zum Datenzugriff und der Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) sind somit teilweise überholt.
In der Vergangenheit wurde die Signaturanforderung mit der daraus folgenden besseren Prüfbarkeit der Dokumente gerechtfertigt. Auch hier hat der Gesetzgeber die Latte gesenkt und diese Anforderungen an die Papierrechnungen angeglichen: „Bei Papierrechnungen sind bereits nach den bestehenden Grundsätzen der ordnungsmäßigen Buchführung (GoBS) die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhaltes und die Lesbarkeit zu gewährleisten … Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden…“. Somit können die heute genutzten Prüfverfahren einer Rechnung (sachliche und rechnerische Richtigkeit) auch für elektronische Rechnungen angewendet werden. Zwar ist hierbei dann keine Paraphe mehr auf Papierdokumenten möglich, aber Workflow-Lösungen von DMS-Anbietern erlauben die Protokollierung von Prozessschritten, um diese nachvollziehbar mit der elektronischen Rechnung zu archivieren. Ob Wirtschaftsprüfer hierüber hinausgehende Anforderungen definieren, bleibt abzuwarten – aus der jetzigen gesetzlichen Änderung lässt sich dieses zumindest nicht ableiten.
Die Bundesregierung errechnet für diese Erleichterung ein Einsparungsvolumen von ca. 4 Mrd. €. Ob dies erreicht werden kann, ist fraglich, allerdings stellt die Neuregelung tatsächliche eine wichtige Erleichterung im Geschäftsleben dar. Unternehmen können jetzt per E-Mail, Filetransfer oder über Portale Rechnungen auf elektronischem Wege austauschen. Ausländische Lieferanten müssen keine Deutschen Signaturkarten mehr besitzen. Der Anteil an Papierrechnungen wird hierdurch signifikant zurückgehen, Rechnungslesungs-Anwendungen müssen nicht mehr aufwändig versuchen, gescannte Papierrechnungen zu analysieren, sondern können direkt auf elektronischen Daten arbeiten oder werden gar nicht mehr benötigt.
Es rückt nun aber eine andere Anforderung in den Vordergrund: Wenn eine Rechnung schon als Dokument elektronisch in das Unternehmen kommt, warum dann nicht auch die Rechnungsdaten in einer Form, die maschinell weiterverarbeitet werden kann? Eine Rechnungslesungs-Anwendung an eine PDF-Datei anzusetzen, ist nicht sinnvoll, wenn der Rechnungsaussteller die Rechnungsdaten auch in strukturierter Form liefern kann. Hier stellt sich dann die Frage der Standardisierung, damit nicht mehr mit jedem Lieferanten separate Festlegungen getroffen werden müssen.
XBRL (eXtensible Business Reporting Language) ist ein auf XML basierter Standard, mit dem elektronische Dokumente im Bereich der Finanzberichterstattung erstellt werden. Es werden Datenfelder und Inhaltsvorgaben definiert. Fokus ist die elektronische Lieferung von Bilanzdaten (E-Bilanz), was ab dem Jahre 2012 Pflicht für deutsche Unternehmen wird. Für Kopf- und Positionsdaten einer Rechnung sind bei XBRL bislang keine Spezifikationen vorhanden, doch haben sich andere Gremien hierüber bereits Gedanken gemacht und entsprechende Spezifikationen ausgearbeitet. Hier einige Beispiele:
Spezifikation | Beschreibung |
OpenTrans (Invoice) | Elektronischer Standard für die System-zu-System-Kommunikation von Handelsunternehmen |
Commerce XML (cXML) | cXML ist ein Datenaustauschformat, das unter der Federführung von Ariba Inc. aus den USA entwickelt wurde. Darüber hinaus haben sich Unternehmen wie Microsoft oder der eBusiness-Softwarehersteller Poet der Entwicklung des Standards angeschlossen. |
XML Common Business Library (xCBL) | xCBL steht für XML Common Business Library und wurde 1997 von der Firma Veo Systems unter dem Namen CBL entwickelt. |
SwissDIGIN | Die Initiative swissDIGIN (swiss Digital Invoice) hat zum Ziel, den elektronischen Rechnungsaustausch zwischen Unternehmen in der Schweiz zu fördern |
EDI mit dem INVOIC-Objekt ist natürlich ebenfalls weiterhin vorhanden. Wenn Rechnungsdaten in einem maschinell verarbeitbaren Format ausgetauscht, ggf. automatisch gegen eine Bestellung geprüft werden können, ist hier tatsächlich ein großes neues Nutzenpotenzial vorhanden.
Bezüglich der Aufbewahrung der elektronischen Rechnungen wird in der Gesetzesänderung auf die GoBS und die GDPdU verwiesen. Elektronische Rechnungen müssen ordnungsgemäß und elektronisch archiviert werden. Ein Papierausdruck ist hier nicht mehr zulässig und die Dokumente müssen im Rahmen einer Betriebsprüfung elektronisch zur Verfügung gestellt werden.
Anforderung GoBS / HGB | Umsetzung Buchhaltungssoftware | Umsetzung elektronische Archivierung |
Vollständigkeit |
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Richtigkeit |
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Zeitgerechtheit |
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Ordnung |
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Nachvollziehbarkeit |
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Unveränderbarkeit |
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Die Aufbewahrung im Dateisystem oder in E-Mail-Ordnern erfüllt nur mit Mühe die Anforderungen der GoBS. Unveränderbarkeit und Nachvollziehbarkeit können hier nur schwer sichergestellt werden. Ein Dokumenten Management System ist hier die richtige Alternative.
Leider wurden bei der Formulierung im Gesetzeskommentar die Passagen der GDPdU übernommen, die bereits in der Vergangenheit zu Diskussionen geführt haben: „Danach hat die Speicherung der Inhalts- und Formatierungsdaten der elektronischen Rechnung auf einem Datenträger zu erfolgen, der Änderungen nicht mehr zulässt.“ Das hier der Begriff „Datenträger“ verwendet wird, suggeriert eine spezielle Speichertechnologie, wie WORM, CD, DVD oder einmal beschreibbare CAS-Lösungen. Diese Anforderung widerspricht aber den GoBS, die „nur“ Nachvollziehbarkeit und Unveränderbarkeit fordern und Software-basierte Lösungen explizit zulassen. Da der Tenor des Gesetzes die Gleichstellung von Papierrechnung und elektronischer Rechnung ist, kann davon ausgegangen werden, dass dies auch für die Aufbewahrung gilt und somit GoBS-konforme Umgebungen für die Rechnungsarchivierung ausreichend sind.
Zusammenfassend lässt sich feststellen:
- Elektronischer Rechnungsaustausch wird deutlich einfacher für die Unternehmen, auch für ausländische Lieferanten
- Standardisierte Austauschverfahren gewinnen an Bedeutung, Beleglesung von Papierrechnungen und die qualifizierte elektronische Signatur verlieren an Bedeutung
- Die elektronische Aufbewahrung von elektronischen Rechnungen ist Pflicht. Das ist gut für den DMS-Markt.
- An einen Rechnungsprüfungs-Workflow, der heute schon in Unternehmen genutzt wird, stellen sich für elektronische Rechnungen keine neuen Anforderungen, außer der Anzeige weiterer Formate. Bisher manuelle Prozesse können ggf. automatisiert werden.
Gültig sind die Regelungen für Rechnungen, deren Umsätze nach dem 1. Juli 2011 anfallen.