Autor: Volker Halstenbach
Der Trend, Lizenzen zu vermieten, statt zu verkaufen, hat den ECM-Markt erreicht: Die ersten Anbieter stellen ihre Kunden von Lizenzkauf auf Miete um und bieten für Neukunden bevorzugt oder ausschließlich Lizenzen zur Miete an. Wird das DMS damit nur teurer – oder auch besser? Was können Anwender tun, welche Optionen stehen zur Verfügung?
Mieten ist Trend
Mit der Einführung von Cloud-Diensten hat sich das Mieten von Services und darin eingebetteten Lizenzen in den letzten Jahren im IT-Markt etabliert. Dies betrifft alle Segmente, nicht nur den B2B-Bereich. Selbst privat nutzen wir immer häufiger gemietete Cloud-Dienste wie iCloud+, Google One, Microsoft OneDrive oder DropBox, um die Daten unserer Smartphones in der Cloud zu verwalten, und für die Foto- und Videobearbeitung hat sich das Mieten von Software als Alternative zum Lizenzkauf längst etabliert.
Die Motivation der Anbieter liegt auf der Hand: Stetiger, erhöhter Umsatz sowie eine erhöhte Kundenbindung.
So verwundert es wenig, dass auch die ersten ECM-Hersteller von der reinen Kauflizenzierung Abschied nehmen und ihre Kunden auf Mietlizenzen umstellen, und es ist zu erwarten, dass immer mehr Lizenzgeber diesem Trend folgen. Dabei ist die Lizenzierung sogar unabhängig von der Betriebsverantwortung, d.h. sie gilt nicht nur für den Cloudbetrieb, sondern auch für den Betrieb OnPremises.
Nachteile und Vorteile
Grundsätzlich bieten Mietlizenzen gegenüber gekauften Lizenzen jedoch einige gravierende Nachteile: So erhöht sich die Abhängigkeit des Kunden vom Anbieter deutlich und die Nutzungserlaubnis erlischt üblicherweise mit dem Stopp der Mietpreiszahlung. Danach darf – anders als bei Kauflizenzen, die lebenslang genutzt werden dürfen – die gemietete Software überhaupt nicht mehr genutzt werden. Auch hat der Lizenzgeber mehr Möglichkeiten als bei Kauflizenzen, direkte oder, z.B. durch Produktumgestaltung, indirekte Preiserhöhungen durchzuführen. Bei der initialen Vertragsgestaltung sollten diese Aspekte daher im Blick gehalten werden. Eine gute Marktkenntnis hilft hier, eine erfolgreiche Verhandlungsposition einzunehmen.
Für Neu-Kunden können sich durch Mietlizenzen aber auch Vorteile ergeben: So liegen die Einstiegskosten bei der Softwaremiete in der Regel zunächst niedriger als beim Softwarekauf. Diese Kosten lassen sich gegebenenfalls sogar noch weiter reduzieren, wenn der Mietumfang bis zum erfolgreichen Abschluss der Einrichtungsarbeiten auf wenige Testlizenzen beschränkt bleibt und bedarfsgerecht weitere Lizenzen erst später hinzugemietet werden.
Betreibt der Kunde die Software selbst, so beschränkt sich diese Kostenminderung jedoch vornehmlich auf die Lizenzkosten. Alle weiteren Kosten, insbesondere für die betriebsnotwendige IT-Infrastruktur und für die Systembetreuung verbleiben beim Kunden. Hinzu kommt, dass die Einführung eines DMS zumeist mit umfangreichen Konfigurationen oder gar Anpassungen der Software einhergeht, und damit auch die Projektkosten der DMS-Einführung relativ hoch ausfallen können. Beide Faktoren – die weiteren Systemkosten und die Kosten des Einführungsprojekts – relativieren den Kostenvorteil der gemieteten Software im Rahmen der Erstbeschaffung.
Kosten längerfristig betrachten
Wer längerfristig rechnet – und das macht bei der Beschaffung von Software für die langfristige Archivierung von Unterlagen definitiv Sinn – der stellt schnell fest, dass die Mietpreise die Kosten des Lizenzkaufs bereits innerhalb weniger Jahre übersteigen. Dies gilt selbst dann, wenn man zu den Lizenz-Kaufkosten die jährlichen Wartungs- / Pflegegebühren hinzuaddiert, die regelmäßig zwischen 18?% und 23?% der Kaufkosten liegen.
Bei Anwendern ohne vorhandene DMS-Installation entscheidet wie immer der Markt, welches Angebot zum Zuge kommt, entsprechend wettbewerbsfähig werden die Angebote erstellt.
Natürlich dürfen sich Kunden auch weiterhin für das auf Dauer teurere Produkt entscheiden, wenn die produktbezogenen Vorteile überwiegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die weiteren Folgekosten, also gerade die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb, die Kosten der Alternativangebote unterschreiten.
Auswirkungen für Bestandskunden
Bei Bestandskunden hat der Lizenzgeber den Vorteil, dass ein Kunde bedingt durch den Migrationsaufwand keine freie Entscheidung treffen kann. Für diese Kunden ergeben sich durch die Umstellung auf Mietlizenzen eigentlich immer Kostennachteile. Die Hersteller bieten die Miet-Lizenzen zumeist zu einem Preis an, der die Wartungsgebühren der gekauften Lizenzen deutlich übersteigt und gerne auch mehr als das Doppelte dieser ausmachen kann.
Sind die Mehrkosten nicht akzeptabel, würden wir daher ein zweigleisiges Verfahren empfehlen: Verhandeln eines sanften Übergangs in die Softwaremiete mit möglichst hoher Anrechnung der Kauflizenzen und gleichzeitiges Vorbereiten des Worst-Case (Migration). Ggf. stellt sich heraus, dass eine Uralt-Lösung sowieso schon lange zur Disposition stand, man nicht jede funktionale Sonderlocke migrieren muss und für ein Neusystem auf der grünen Wiese neu starten kann. Dies könnte die Migrationskosten senken und gegebenenfalls den Stachel nehmen.
Während für DMS-Anwender, die aktuell gekaufte Lizenzen nutzen und zum Umstieg auf Miete gedrängt werden, zunächst deutliche Kostennachteile entstehen, ergeben sich für den Hersteller zugleich neue und sowohl verlässlichere als auch gegenüber der Vergangenheit höher Einnahmemöglichkeiten. Nutzt der Hersteller diese Einnahmen für die Weiterentwicklung und Verbesserung des vermieteten Produktes, kann sich hieraus für den Kunden wieder ein Vorteil ergeben, den ihm der Hersteller anders nicht bieten könnte. Allerdings ist der Umfang der Produkt-Weiterentwicklungen vertraglich regelmäßig nicht fixiert, somit aus Kundensicht nur eine Hoffnung, deren mögliche Erfüllung in der Zukunft liegt und daher mit deutlichen Unsicherheiten einhergeht.
Die Erhöhung der Lizenzkosten bedeutet für viele Bestandskunden zugleich eine deutliche Verschlechterung des ROI, und einige Projekte wären unter diesen Vorbedingungen womöglich nie angegangen worden.
Handlungsoptionen für Bestandskunden
Wie können Kunden sich also schützen und welche Handlungsoptionen stehen zur Verfügung?
Der erste Reflex sagt „Hersteller wechseln“. Diese Option sollte jedoch zunächst mit großer Sorgfalt betrachtet werden. Definitiv wird eine sehr gute Kenntnis des Marktes benötigt und eine genaue Einordnung der eigenen Anforderungen, um herauszufinden, zu welchem anderen Hersteller ein Wechsel stattfinden könnte. Zugleich müssen die Kosten und die Dauer der Migration berücksichtigt werden, die im ECM-Umfeld regelmäßig besonders hoch liegen. Experten mit entsprechender Marktkenntnis können hier innerhalb weniger Tage richtungsgebende Hinweise erarbeiten.
Definitiv zu empfehlen ist, das veränderte Herstellerangebot genau zu analysieren und gemeinsam mit dem Lizenzgeber zu verhandeln, um eine verbesserte, fairere Umstellung zu bewirken. Auch hierbei kann ein erfahrener Berater dem Kunden mit geringem Aufwand helfen, die beste Verhandlungstaktik zu ermitteln und auch bei Verhandlungen aktiv unterstützen.
Präventiv lassen sich gleich mehrere Maßnahmenbündel empfehlen, die von der schützenden Vertragsgestaltung bis zur Vorbereitung einer auf den Worst-Case ausgerichteten Exit-Strategie reichen, und damit sowohl vor der Beschaffung als auch während der laufenden Vertragsbeziehung angegangen werden können.
Wer heute und in Zukunft – aus welchen Gründen auch immer – keine Mietmodelle akzeptiert, muss bei der Vertragsgestaltung darauf achten, dass der Lizenzgeber die heute angebotenen Kaufkonditionen auch mittel- oder langfristig nicht aufweichen kann, indem er die Wartungsverträge kündigt oder bestimmte Lizenzen nur noch gegen Miete anbietet.