Die Nutzung von Microsoft® SharePoint stellt sich für Anwender oft schwieriger dar als erwartet. Mit den richtigen Weichenstellungen gelingt die Einführung.
Fehleinschätzung: „SharePoint ist selbsterklärend“
Oft wird erwartet, dass ein SharePoint-Portal intuitiv und selbsterklärend effektiv nutzbar ist. Das ist jedoch bei weitem nicht der Fall – zu vielfältig sind die zahlreichen Einzelfunktionen, die Konzepte des SharePoints und zu heterogen sind die Benutzeroberflächen von Web-Sites, Dokumentenbibliotheken und den verschiedenen SharePoint-Listen.
Die Benutzerführung erschließt sich auch einem technisch orientierten Anwender und erfahrenen Web-Surfer erst auf den zweiten Blick durch das bewährte „Learning-by-doing“ und dem Studium der Dokumentation und der inzwischen zahlreich verfügbaren einschlägigen Literatur zum SharePoint.
Der „normale“ Anwender im Unternehmen, der nur gelegentlich im Portal nach Inhalten sucht oder Inhalte pflegen möchte, ist überfordert, wenn man ihm keine griffige Anleitung an die Hand gibt und die ersten Schritte begleitet. Frustration und Ablehnung ist dann häufig die Folge. Dem lässt sich jedoch durch einen kurzen Einführungs-Workshop, bei dem die grundlegenden Konzepte und die wichtigsten Oberflächen des kundenspezifischen Portals vorgestellt werden, gezielt entgegen wirken. Ideal ist es, wenn die ersten Schritte der Anwender am Arbeitsplatz begleitet und auftauchende Fragen direkt beantwortet werden können.
SharePoint-Infrastruktur – ohne Planung geht es nicht
Wird das Produkt eingesetzt, ohne sich grundlegende Gedanken über Themen wie: Skalierbarkeit der Lösung (Single-Server oder Farm-Konfiguration), Rechteverwaltung, Backup und Recovery etc. zu machen, kann das schon in der ersten Betriebsphase zu Problemen führen, da u.U. kritische Änderungen am laufenden Produktivsystem vorgenommen werden müssen.
Daher ist zu empfehlen, den SharePoint zunächst als Testsystem und Spielwiese zum Ausprobieren des Produkts einzusetzen und später für den Produktiveinsatz neu zu installieren. Das hat gleich mehrere Vorteile: zum einen tun sich Anwender und Administratoren leichter, neue Dinge auszuprobieren und zum anderen können die Erfahrungen, die in dieser Phase gemacht wurden, unmittelbar in die Konfiguration des Produktivsystems und in die Planung der Einsatzgebiete einfließen.
Multiplikatoren in den Fachabteilungen schaffen
Collaboration ist ein Thema, das vom Engagement der Anwender lebt. Der SharePoint kommt gut an, wenn Anwender Freiräume für die Umsetzung der eigenen Vorstellungen z.B. von virtuellen Projekträumen oder Team-Websites erhalten. Die notwendige Technologie kann durch die IT-Abteilung bereitgestellt werden, eine inhaltliche Einrichtung und Ausgestaltung ist jedoch nur effektiv durch die verantwortlichen Fachabteilungen möglich.
Es empfiehlt sich eine Vorgehensweise mit einer überschaubaren Anzahl von ausgewählten und geschulten Key-Usern aus den betroffenen Fachbereichen. Diese Mitarbeiter nehmen eine Brückenfunktion zwischen IT- und Fachabteilung ein und tragen Verantwortung für die Inhalte und die Gestaltung der einzelnen Portalbereiche. Wenn zu jedem Thema oder zu jedem Bereich im Portal der jeweiligen Ansprechpartner verbindlich vereinbart wird, können Rückfragen oder Änderungswünsche rasch berücksichtigt werden. Für die Dokumentation solcher Vereinbarungen stehen innerhalb der SharePoint-Umgebung übrigens entsprechende Webparts zur Verfügung.
Salami-Taktik: Kleine Schritte machen
Häufig wird versucht, SharePoint als umfassende Gesamtlösung für alle Unternehmensbereiche und möglichst viele Aufgabenstellungen in einem einzigen Projekt einzuführen. Das wird jedoch dem Charakter der Anwendung oft nicht gerecht. Der SharePoint beinhaltet ein Konglomerat von Konzepten, und es bedarf eines Lernprozesses, damit die Mitarbeiter diese Konzepte im Laufe der Zeit immer besser verstehen und damit immer besser nutzen können.
Diese Lernkurve sollte bei der Einführungsplanung berücksichtigt werden: Die Einrichtung kleiner überschaubarer Bereiche für einzelne Abteilungen bieten ausreichend Spielraum, um Erfahrungen zu sammeln und herauszufinden, wie der SharePoint am besten in der Organisation genutzt werden kann. Für die optimale Nutzungsweise gibt es kein Patentrezept – jede Anwendergruppe hat ihre eigenen Vorstellungen hinsichtlich Organisation, Auffindbarkeit und Darstellung von Informationen.
Collaboration-Umgebungen sind einem ständigen Wandel hinsichtlich der Anforderungen z.B. für eine Projektsite unterworfen. Planung bis ins letzte Detail lässt oft nicht genug Spielraum für kreative Entwicklungen und Gestaltung von SharePoint-Seiten. Deshalb sollte man sich besser gleich von Beginn an von traditionellen Vorgehensweisen der Softwarespezifikation und Implementierung verabschieden und flexiblere Vorgehensmodelle verwenden, die mit weniger Aufwand an die wechselnden Anforderungen anpassbar sind.
Am Produktstandard orientieren
Gerade mittelständische Unternehmen hoffen, durch Einsatz eines Standardprodukts zu einer kostengünstigen „out-of-the-box-Lösung“ zu kommen. Dies ist mit dem SharePoint möglich, jedoch nur, solange man sich an den Produktstandard hält.
„Oberflächen und Funktionalitäten sind änderbar und individuell anpassbar“ – so der gängige Slogan von SharePoint-Dienstleistern. Das böse Erwachen kommt, wenn der Customizing-Aufwand ins Unermessliche steigt oder wenn sich beim Release-Wechsel herausstellt, dass die kundenspezifischen Anpassungen des SharePoint nicht auf das nächste Release übertragen werden können, d.h. erneut entwickelt werden müssen.
Unverzichtbar: Dokumentation des Systems
Im Laufe der Zeit werden im SharePoint häufig unzählige Bibliotheken, Sites, Listen, etc. angelegt. Wenn diese nicht dokumentiert und Verwendungszweck und Zuständigkeiten festgelegt sind, dann wird der Systemverantwortliche in kurzer Zeit handlungsunfähig, weil keiner mehr weiß, was gelöscht oder verändert werden darf.
Die Abhängigkeiten z.B bei Verwendung von übergreifend genutzten SharePoint-Listen sind nicht auf Anhieb sichtbar, deshalb ist eine explizite Dokumentation der Zusammenhänge zwingend erforderlich. Zur systemseitigen Dokumentation gibt es SharePoint-AddOns von Microsoft-Partnern, die diesen Bedarf erkannt haben und SharePoint-spezifische Dokumentationswerkzeuge anbieten. Wichtig ist, dass mit Systemeinführung eine Dokumentation des Portals erfolgt, diese zentral gepflegt und immer auf dem aktuellen Stand gehalten wird.
Auf wesentliche Anforderungen konzentrieren
Foren, Wikis und Blogs sind zwar als integrierte Module im SharePoint vorhanden, ihre Funktionalität ist jedoch eher als rudimentär zu bezeichnen und sie ist kaum mit spezialisierten Produkten aus den einzelnen Bereichen vergleichbar. Microsoft lässt in diesen Bereichen einen großen Spielraum für Partnerunternehmen, die mit eigenen SharePoint-Erweiterungen weitergehende Anforderungen adressieren. Deshalb sollten diese Funktionen zunächst auf eine spätere Phase verschoben werden und dann als Ergänzung zu einem bestehenden SharePoint-Portal oder -Intranet eingesetzt werden.
Organisierte Strukturierung der Informationen in Bibliotheken
Eine wesentliche Stärke des SharePoint liegt darin, dass man Dokumente in Bibliotheken verwalten und dort mit kundenspezifischen Ansichten flexibel sortieren, filtern und gruppieren kann. Dieser Vorteil geht verloren, wenn zum Beispiel für jede Dokumentenart eine separate Dokumentenbibliothek eingerichtet wird. Dokumente, die in einem logischen Kontext stehen und gleiche Zugriffsrechte aufweisen, sollten deshalb in einer gemeinsamen Bibliothek verwaltet werden.
Vorsicht ist bei der Verwendung von Unterordnern geboten: Die Navigation im Browser ist mühsam und häufig leidet die Übersichtlichkeit, weil man erst alle Unterordner durchklicken muss, bevor das gesuchte Dokument auffindbar ist.
SharePoint-Listen erfordern Umdenken
Viele Anwender nutzen Informationen traditionell in Form von Dokumenten. Office-Dokumente oder PDF-Dokumente abgelegt im Dateisystem sind jedem vertraut. Da ist es verständlich, dass bei einer SharePoint-Einführung häufig der ähnliche Ansatz verfolgt wird und Dokumente einfach in SharePoint-Bibliotheken abgelegt werden.
Dabei wird ignoriert, dass SharePoint mit den sogenannten „Listen“ eine sehr effektive Verwaltung von tabellarischen Informationen bietet, die in vielen Fällen effektiver einzusetzen ist als die traditionelle Speicherung von Informationen in Dokumenten.
Die Vorteile sind u.a.:
- Einfacher Änderungszyklus, der Anwender muss keine Applikation starten, ein Dokument öffnen und anschließend wieder speichern, er kann die Inhalte direkt im Browser bearbeiten.
- Mehrere Anwender können eine Liste gleichzeitig bearbeiten, geänderte Listenelemente sind sofort für alle sichtbar.
- Im Portal kann nicht nur ein Hyperlink auf eine Liste, sondern auch auf einen Link auf einem Listenelement gesetzt werden, damit lassen sich Informationen exakter als in einem Dokument referenzieren.
- Listenelemente können in der Trefferliste der Volltextsuche als eigenständiger Eintrag angezeigt und direkt angeklickt werden.
- In benutzerspezifisch anpassbaren Listenansichten kann die Darstellung einer Liste den Bedürfnissen leicht angepasst werden.
Einschränkungen sind beim Einsatz von Listen natürlich auch zu beachten: So lassen sich Listenzeilen zwar flexibel sortieren und gruppieren, die Einordnung eines Listeneintrags in eine vom Anwender bestimmte Listenzeile ist allerdings nicht möglich.
Vorlagen intelligent einsetzen
Die SharePoint-Infrastruktur erlaubt es, Vorlagen für fast alle Objektarten (Websitekonfigurationen, Dokumentenablagen, Listen, etc.) zu hinterlegen, die in den unterschiedlichen Websites angewendet werden können. Es empfiehlt sich, einen durchdachten Katalog von Vorlagen zu erstellen, zu dokumentieren und den Anwendern verbindlich bereitzustellen. Über ein geeignetes Rechtekonzept sollte gesteuert werden, dass Anwender bei der Zusammenstellung ihrer individuellen Websites auf diesen Vorlagenkatalog zurückgreifen müssen. Hierdurch lässt sich ein Organisationschaos vermeiden, bei der viele ähnliche, im Detail dennoch unterschiedliche Ablagebereiche innerhalb einer einzigen SharePoint-Instanz nebeneinander existieren.
Ausreichende Personalressourcen einplanen
Für Planung, Betrieb und Anwenderunterstützung sind – genauso wie bei anderen ECM-Lösungen auch – durchaus nennenswerte Personalaufwände einzuplanen. Anders als bei den anderen Serverprodukten aus dem Hause Microsoft z.B. Exchange oder MS-SQL unterliegen die Informationsstrukturen im SharePoint einem ständigen Wandel. Es kommen laufend neue Themenbereiche hinzu oder werden umgestaltet, alte Websites werden gelöscht oder archiviert. Diese Veränderungen erfordern eine laufende Beschäftigung mit dem Portal.
Die SharePoint-Einführung ist also keine einmalige Aktion, sondern eine permanente Aktivität, die ausreichend Zeit von den zuständigen Mitarbeitern erfordert: Administratoren, Key-Usern und Autoren.