E-Mails richtig aufbewahren – Aufgaben und Lösungen
Ob De-Mail, E-Postbrief, signierte E-Mails oder normale Mails – eines bleibt heute wie künftig ein Thema für Unternehmen: E-Mails enthalten relevantes Wissen und müssen aus rechtlichen und betriebsinternen Gründen aufbewahrt werden.
Eine elektronische Nachricht kann steuerrelevant sein, einen Handelsbrief darstellen oder Rechte und Pflichten für das Unternehmen begründen. Beispiele dafür sind Buchungsanweisungen, Rechnungen, vertragsbegleitende Unterlagen, Produktspezifikationen, Protokolle und vieles mehr. E-Mails sind daher nach Handelsgesetzbuch und Abgabenordnung geordnet aufzubewahren. Viele Unternehmen tendieren deshalb dazu, ihre gesamte E-Mail-Kommunikation mit Ausnahme ausgefilterter Spam-E-Mails zu archivieren. Umgesetzt wird das indes unterschiedlich:
– Die anwendergetriebene E-Mail-Archivierung bedeutet: Der Benutzer entscheidet
situativ, welche E-Mail in welche Archivbereiche (Aktenstrukturen, Bereichsarchive,
etc.) mit welchen Indexwerten abgelegt werden soll. Das E-Mail-Archivsystem
kann ihn hierbei durch Automatismen bei der Indexierung unterstützen.
– Die systemgetriebene E-Mail-Archivierung bedeutet, dass die Archivierung ohne
Anwendereingriff regelbasiert und automatisch abläuft.
Anwender- und systemgetriebene Mail-Archivierung decken unterschiedliche Anforderungen ab und ergänzen sich daher häufig in der Praxis, da nur die systemgetriebene Archivierung die rechtliche Anforderung an die Vollständigkeit sicher abdeckt. Geordnet ist das dann in der Regel aber nicht, daher wird zusätzlich die anwendergetriebene Archivierung eingesetzt.
Relevante E-Mails
Ein häufiges Problem ist die Trennung zwischen relevanten und nicht relevanten E-Mails. Relativ einfach ist diese Festlegung bei Rechnungen oder Buchungsbelegen, da hier Aufbewahrungspflicht besteht. Schwieriger wird es bei Korrespondenzen: Anwender können oft nicht bewerten, ob eine E-Mail mit erhaltenen oder getroffenen Aussagen für das Unternehmen relevant ist. Manchmal ergibt sich das erst im Rahmen des beliebten E-Mail-Pingpongs. Anderes Beispiel: Wenn ein Anwender eine gesendete E-Mail in der elektronischen Akte abgelegt hat, und es kommt doch noch eine Antwort, dann muss diese vielleicht auch noch abgelegt werden.
Das führt bei den Anwendern dazu, E-Mails nur in E-Mail-Ordnern mit grober Struktur abzulegen, aber nur unregelmäßig oder gar nicht in den elektronischen Akten. Hier helfen Arbeitsanweisungen und Funktionen, die den Aufwand der Ablage verringern, wie Vorschlagswerte oder Übernahme von E-Mail-Feldern in Indexfelder. Empfehlenswert ist die Kombination aus dieser anwendergetriebenen Ablage mit der systemgetriebenen Ablage, um die Vollständigkeit sicherzustellen.
E-Mail-Rechnungen
Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 sind die umsatzsteuerlichen Regeln für elektronische Rechnungen deutlich vereinfacht worden. Elektronische Rechnungen dürfen damit im E-Mail-Body enthalten sein, auch die Rechnung als PDF-Attachment ist zulässig. Es werden keine besonderen Anforderungen an die Übermittlung gestellt, so dass das vorhandene E-Mail-System leicht genutzt werden kann.
Für die Aufbewahrung wird ohne technische Vorgaben auf die Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) und die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) verwiesen. Nur einen Papierausdruck aufzubewahren reicht allerdings nicht, auch wenn dies Kleinunternehmen oft so machen. Dies führt zwar nicht zur Aberkennung der Vorsteuer, doch kann Verzögerungsgeld verhängt werden, da die Rechnungen nicht im elektronischen Format vorgelegt werden können. Sortieren in Ordnerstrukturen und regelmäßiges Brennen auf CD/DVD ist die Minimallösung.
Oft diskutiert wird die Frage, ob ein E-Mail-Body aufbewahrt werden muss, wenn die Rechnung selbst im E-Mail-Attachment enthalten ist. Die Rechtsgrundlagen geben hierüber keine Auskunft. Als Buchungsbeleg reicht zwar das Attachment aus, allerdings will man oft betriebsintern nachvollziehen, wann und über welchen Weg eine Rechnung im Unternehmen eingetroffen ist. Die-se Informationen sind nur im E-Mail-Header enthalten.
Private E-Mails
Bei der Aufbewahrung von E-Mails ist zu beachten, inwieweit die Firmenadresse für die private Kommunikation genutzt wird. Schon die Spam-Filterung kann private Mails filtern und so das imTelemediengesetz (TMG) geregelte Fernmeldegeheimnis durch Vorenthaltung der Informationen für den Arbeitnehmer verletzen. Eine systemgetriebene vollständige Archivierung ist ohne Erlaubnis durch den Mitarbeiter nicht möglich, da sich nicht ausschließen lässt, dass private E-Mails archiviert werden, auf die später aus Datenschutzgründen nicht zugegriffen werden kann. Ein E-Mail-Archiv kann nicht automatisch in „dienstlich“ und „privat“ differenzieren, und der Anwender hat ja keine Chance, private Mails vorher zu löschen. Für den Umgang mit privaten E-Mails gibt es diese Varianten:
– Private E-Mails werden verboten. Die Einhaltung des Verbots muss regelmäßig
geprüft, werden, sonst gilt die private Nutzung als geduldet.
– Nutzung separater E-Mail-Adressen für private E-Mails.
– Private-E-Mails werden zugelassen, sind aber nicht mit dem hauseigenen E-Mail-
System zulässig, sondern nur bei Google Mail, web.de oder ähnlichen Anbietern.
– Private E-Mails werden der vollständigen E-Mail-Archivierung nicht mit archiviert,
da es Regeln gibt, durch die sie erkannt werden können, zum Beispiel Ordner
„Privates“ in jedem Postfach.
– Private E-Mails werden mitarchiviert. Für den Zugriff auf das Postfach werden
Regeln mit dem Betriebsrat abgestimmt.
Die Empfehlung lautet hier: Weg von der privaten Nutzung mit Firmen-Mail-Adresse, hin zu privater Nutzung mit privatem Account über andere Kommunikationswege (zum Beispiel Web-Dienste) oder Abschluss einer Betriebsvereinbarung, die dem Unternehmen alles erlaubt, was im Falle einer E-Mail-Recherche notwendig ist.
Unterschiedliche Ansätze im Umgang mit E-Mails
Abbildung 1: Lösungsansätze E-Mail-Archivierung
Original- oder Langzeitformat
Für E-Mails gibt es keinen generellen Format-Speicherstandard oder einen rechtlich begründeten Zwang zur Konvertierung, bevor sie archiviert werden. Jeder Mail-Client stellt den Inhalt einer E-Mail schließlich unterschiedlich formatiert dar.
E-Mail-Archivlösungen bieten oft eine Konvertierung in Zielformate wie PDF oder TIFF aus unterschiedlichen Quellformaten an. Diese Formate sind aber als „flache Druckformate“ nur für druckbare Dokumente geeignet, die einen deterministischen Druckbereich kennen. Bereits Microsoft Excel führt hier häufig erst nach mehreren Anläufen zum Ziel, eine automatische Excel-Rendition (-Wiedergabe) gelingt fast nie. Das gilt erst recht für solche Formate, die beim Ausdruck nur eine Untermenge der enthaltenen Informationen visualisieren.
Kennwortgeschützte Dateianhänge können vom Konvertierprogramm nicht geöffnet und umgewandelt werden; enthaltene Makroprogramme unterbrechen den Konvertierprozess und verlangen von einem Administrator Eingaben oder andere Aktionen. Falls das System hierauf nicht „intelligent“ reagieren kann, besteht die Gefahr, dass ein Administrator ständig die Konvertierroutine überwachen und eingreifen muss. In solchen Fällen ist es zwingend erforderlich, dass Anwender Ausschlusslisten für die automatische, im Hintergrund ablaufende Konvertierung einrichten können. Außerdem darf der Rendition-Service nicht das gesamte System zum Absturz oder Stillstand bringen, wenn ein Fehler auftritt. Solche E-Mails gehören in einen Überlauf/Fehler-Bereich, wo sie individuell nachbehandelt werden können.
So gehen unterschiedliche Systeme mit E-Mails um
Abbildung 2: System zur E-Mail-Archivierung
GDPdU@firma.de
Oft denken Unternehmen über die Einrichtung einer E-Mail-Adresse speziell für steuerrelevante E-Mails nach. Zwar wären die an diese Adresse gesendeten E-Mails dadurch zumindest im Original gespeichert, aber es stellen sich hier andere Probleme:
– Die Frage, welche E-Mails archiviert werden sollen, bleibt bestehen.
– Die nachhaltige und dauerhafte Speicherung muss für das E-Mail-Postfach
sichergestellt werden.
– Erforderliche Ablagekriterien wie Kundennummer oder Dokumentenart fehlen.
– Ein Löschen der E-Mails lässt sich gegebenenfalls nur über Rechte im Mail-Sys-
tem verhindern.
– Es müsste sich nachvollziehen lassen, wer wann wie zugegriffen hat, was nicht
immer möglich sein wird.
– Eine spätere Suche einzelner E-Mails ist sehr schwierig.
Aus diesen Gründen ist diese Art der Umsetzung für steuerrelevante E-Mails in der Regel nicht erfolgreich.
Lastverhalten/Skalierbarkeit
Für ein DMS macht es durchaus einen Unterschied, ob in einem Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern 500 Dokumente gescannt und abgelegt werden oder ob im Durschnitt von jedem Mitarbeiter pro Tag 10 oder 50 Mails (=10.000 bis 50.000 Mails pro Tag) abgelegt werden, da hier die Systeme (Datenbanken, Speicher, Volltext-Engine etc.) mit den 20 bis 100-fachen Mengen belastet werden. Werden diese Mails nicht nur einfach nur indexiert und abgelegt, sondern vorher noch verarbeitet (zum Beispiel auf dem Rendition-Server), dann sind nicht selten Server-Farmen zur Bewältigung dieser Peripherieprozesse notwendig, wenn diese nicht asynchron über Nacht sondern zeitnah während des Tagesbetriebes erfolgen müssen.
Offline-Client
Viele E-Mail-Anwender sind es gewohnt, E- Mails auch unterwegs ohne direkte Verbindung zum Mail-System verfügbar zu haben. Dies gilt nicht selbstverständlich für archivierte E-Mails. E-Mail-Archive müssen dafür lokale Caching-Mechanismen für archivierte E-Mails unterstützen, die sich automatisch mit dem Server replizieren, wenn der Benutzer wieder im Netz ist.
Volltextsuche in Anhängen
Volltextindizierung bildet mittlerweile eine Standardfunktion in den meisten DMS-Lösungen. Was für Mailbodies (Text) einfach erscheint, gilt aber nicht immer für Anhänge. So können beispielsweise in Lotus-Notes-Mails enthaltene Anhänge bei einer Speicherung im DXL-Format aufgrund ihrer proprietären Codierung von vielen Volltext-Lösungen in Mail-Archiven nicht gelesen werden. Hier gilt es bei einer Produktauswahl zu prüfen, ob die relevanten Formate für E-Mail-Attachments unterstützt werden.
Fazit
Die Aufbewahrung von E-Mails ist und bleibt ein komplexes Thema mit vielen organisatorischen und technischen Aspekten:
– Die weltweit am weitesten verbreitete Textverarbeitung zur Erstellung
aufbewahrungspflichtiger Dokumente sind Mail-Clients.
– Die Anwender erstellen oder empfangen in ihren Mail-Systemen um ein Vielfaches
mehr rechtlich relevante Dokumente als in allen anderen Systemen. Die
Aufbewahrung dagegen hinkt anderen Systemen weit hinterher.
– Das Thema Mail-Archivierung taucht immer häufiger in den Projekte auf, weil die
Revision, die Risk Manager und die externen Wirtschaftsprüfer hier zunehmen ein
Risiko sehen.
– Was die Anwender in der Tagesarbeit vor allem drückt, ist die Lückenhaftigkeit der
Akten: ohne ein- und ausgehende E-Mails in den elektronischen Akten kann man
keine belastbare Auskunft mehr geben. Man weiß, dass es noch viel mehr zum
Vorgang gibt, aber diese Informationen sind oft in den schwarzen Löchern der E-
Mail-Ablagen verschwunden.
Hinweis: Dieser Artikel ist in ähnlichem Wortlaut in der Computerwoche-Online am 26. April veröffentlicht worden.