Marktgängige Collaboration-Lösungen bieten Anwendungsfunktionen, die auf die Zusammenarbeit im Team ausgerichtet sind und die projektbezogene Dokumentenverwaltung beinhalten. In der betrieblichen Zusammenarbeit besitzen Dokumente eine hohe Bedeutung: Konzepte, Angebote, Verträge, Korrespondenz, Kalkulationen, Präsentationen und unzählige weitere Unterlagen werden im Rahmen der Tätigkeiten erstellt, verändert, zugestellt, begutachtet, freigegeben und überarbeitet. Collaboration-Lösungen und DMS-Lösungen weisen bezüglich der Dokumentenverwaltung funktionale Überlappungen auf, die im Unternehmen beherrscht werden müssen, um das Ablagechaos zu verhindern.
Anforderungen an Collaboration-Lösungen
In den letzten Jahren haben immer mehr sogenannte „Knowledge Worker“ den Bedarf an Prozessunterstützung im Dokumenten Management erkannt. Die Tätigkeiten des Knowledge Workers im Sinne dieses Beitrags sind dadurch gekennzeichnet, dass er im Vergleich zum transaktionsorientierten Sachbearbeiter (z.B. Rechnungsprüfer) in der Regel eine geringere Anzahl von Vorgängen im gleichen Zeitablauf abarbeitet, wobei der einzelne Vorgang komplexer gestaltet ist und mehr unstrukturierte, verteilt vorliegende Informationen zur Abarbeitung benötigt werden. Häufig besteht der Bedarf, Informationen ad hoc abzurufen oder erstellen zu lassen. Die zeitliche Abstimmung und Koordinierung der Abläufe erfolgt fallweise. Diese teilweise projektbezogenen Tätigkeiten verlangen erheblich weitergehende Unterstützungsfunktionen zur Zusammenarbeit als „reines“ Dokumenten Management.
Als Produktlösung für die geschilderte Arbeitsweise etablieren sich verstärkt sogenannte „Collaboration“-Lösungen – wobei das Verständnis über den Begriff „Collaboration“ und damit auch über die funktionalen Inhalte der Produkte deutlich unterschiedlich ausfällt.
Kategorien von Collaboration-Lösungen
Moderne Collaboration-Lösungen lassen sich nach unserer Beobachtung grundsätzlich in die zwei folgenden Kategorien einteilen – beide Lösungsansätze besitzen Berührungspunkte zu DMS-Funktionen:
- Lösungen zur Verbesserung der synchronen Zusammenarbeit bzw. direkten Kommunikation
Zu diesen Lösungen gehören Chat-Anwendungen ebenso wie Konferenzlösungen, die Video- und/oder Bildschirminhalte über Datenverbindungen an verteilte Kommunikationspartner senden und somit die Durchführung ortsübergreifender Konferenzen ermöglichen.
Vielfach werden innerhalb dieser Konferenzen Dateien ausgetauscht oder über die Konferenzplattform visualisiert. Im Rahmen einer Konferenz-Dokumentation entsteht dann häufig die Notwendigkeit, die während der Konferenz verfügbaren Dokumente dauerhaft aufzubewahren, und manchmal wie andere aufbewahrungspflichtige Unterlagen auch ordnungsgemäß zu archivieren. Zudem kann die Anforderung entstehen, die Konferenzinhalte als Video-/Audiodatei zu speichern und dauerhaft aufzubewahren. Hierbei sind als besondere Herausforderung die auch für heutige Verhältnisse großen Dateien zu sehen, und zwar insbesondere im Rahmen des Dokumentenzugriffs: Spezielle Medienarchive sind zwar auf das Streaming von Inhalten ausgerichtet, die klassischen DMS-Lösungen liefern ihre Dateien vielfach jedoch auf herkömmlichem Wege, d.h. es werden zunächst die Dateiinhalte komplett auf den Arbeitsplatz des zugreifenden Anwenders kopiert und dann abgespielt, was beim Anwender zu Wartezeiten aufgrund verzögerter Datenbereitstellungen führt. Ein häufiger Kompromiss ist daher, solche Medien auf Streaming-Servern abzulegen, sie aber über die DMS-Datenbank zugänglich zu machen, indem zum Beispiel der Link zum Video in der elektronischen Akte enthalten ist. So wäre ein einheitlicher Zugang für den Endbenutzer sichergestellt, wenn auch – aufgrund der unterschiedlichen Physik der Objekte –unterschiedliche Repositories verwendet werden müssen. - Lösungen zur Verbesserung der asynchronen, daten- oder dokumentbasierten Zusammenarbeit
Zu diesen Lösungen gehören Anwendungen, die es erlauben, Daten und Dateien zu sammeln, zu verteilen und (gemeinsam) zu erstellen. Die in diesen Umgebungen verwalteten Daten und bereitgestellten Funktionen sind auf die Unterstützung von Projektarbeit ausgerichtet und bieten z.B. Möglichkeiten zur Terminverwaltung (Kalenderfunktion), Kontaktdatenverwaltung, Aufgabenlisten und weitere. Daneben bieten viele Collaboration-Lösungen die Möglichkeit, Dokumente innerhalb der Bibliothek zu verwalten, einerseits in spezifischen Dokumentenablagebereichen und andererseits als Anhang zu den oben genannten Collaboration-Daten, also als Terminanhang, Kontaktanhang, Aufgabenanhang etc. In den letzten Jahren finden sich darüber hinaus in immer mehr Collaboration-Lösungen Wiki- und Blog-Funktionen, also Anwendungen, die Unterlagen wie Handbücher oder Lexika nicht mehr als monolithisches Dokument, sondern in Form einer interaktiven Datenbankanwendung implementieren, in der die Einzelkomponenten der Unterlage (Texte, Kommentare zu den Texten etc.) Datensätze darstellen, die einem verteilten Team von Mitautoren neue flexible Möglichkeiten zur gemeinschaftlichen Erstellung solcher „Dokumente“ ermöglichen.
Abgrenzung: Durch die „Cloud“-Dienste von Google, Microsoft und weiteren Anbietern etablieren sich derzeit zusätzliche Collaboration-Lösungen, die die synchrone Erstellung und Bearbeitung eines Dokuments durch unterschiedliche Nutzer ermöglichen; diese Angebote sind jedoch nicht inhouse-fähig, derzeit noch relativ gering verbreitet und werden daher in der aktuellen Darstellung nicht weiter vertieft.
Die Produktangebote für Collaboration-Lösungen lassen sich häufig nicht eindeutig bzw. nicht vollständig in eine der obigen Kategorien einordnen, da z.B. eine Videokonferenzlösung durchaus auch eine Kalenderfunktion besitzen oder eine datenbasierte Collaboration-Lösung auch Funktionen zur synchronen Kommunikation bieten kann, zum Beispiel in Form von Chat-Lösungen.
Gegenüber Dokumenten Management-Lösungen sind Collaboration-Lösungen zumeist in Bezug auf die Integration der Office- und E-Mail-Anwendungen sowie bezüglich der dauerhaften Dokumentenverwaltung, z.B. der Aufbewahrungsfristenverwaltung, der Möglichkeit zur Gestaltung repetitiver Workflow-Anwendungen, der Integration in Hintergrundsysteme für Output- und Retrievalintegration, der Implementierung komplexer Aktenmodelle klassischen DMS-Lösungen funktional unterlegen.
Erweiterte DMS-Lösungen
Viele heute am Markt angebotenen Dokumenten Management-Lösungen wurden in den letzten Jahren funktional ergänzt und bieten gegenüber den Lösungen der Vergangenheit erweiterte Dokumentenfunktionen an, die vor allem den Erstellungs- und Verwaltungsprozess der Dokumente unterstützen. Als wichtigste Vertreter dieser modernen Funktionen seien die Versionsverwaltung, Office-/Mail- und Desktop-Integrationen sowie die elektronische Aktenführung genannt, die heute in immer mehr DMS-Produkten vorzufinden sind. Diesbezüglich bieten heutige DMS-Angebote bereits wichtige Grundfunktionen für die erfolgreiche Projektzusammenarbeit.
Allerdings fehlen typischen DMS-Lösungen, die stärker auf Kommunikation zielenden Anwendungsfunktionen wie Chat und Videokonferenz, und nur ganz wenige DMS-Lösungen enthalten bereits Wiki- und / oder Blog-Funktionen.
Abgrenzung tut Not
Organisationen, die sowohl Dokumenten Management- als auch Collaboration-Systeme im Einsatz haben, stehen somit vor der Herausforderung, einerseits die beiden Lösungsansätze voneinander abzugrenzen und andererseits diese beiden Systeme miteinander zu kombinieren. Die Anbieter bieten unterschiedliche Integrationsmöglichkeiten an, die sich auf zwei Grundtypen reduzieren lassen: entweder der Anwender arbeitet IMMER in der Collaboration-Lösung und ein Hintergrundprozess migriert Dokumente nach bestimmten Regeln in ein anderes Repository. Solche Szenarien sind typisch für Einsatzfelder, wo die Client-Funktionalität der Collaboration-Lösung ausreichen, aber Archivfunktionen wie Unveränderbarkeit etc. durch ein Archiv-Repistory ergänzt werden müssen. Die andere grundsätzliche Variante ist, dass die Collaboration-Lösung nur eine Art Portal darstellt, in der aber die nachgelagerte Funktionalität eines DMS verfügbar gemacht wird. Hier sieht der Anwender zwar das Look&Feel der Collaboration-Lösung, erhält aber die Funktionalität des DMS. Dies kommt dann vor, wenn eine Collaboration-Lösung einen so großen Marktanteil hat (bspw. MS SharePoint), dass es dem DMS-Hersteller lohnend erscheint, seine DMS-Funktionen in Form von Portal-Komponenten (bei SharePoint Webparts) anzubieten.
Die Abgrenzung ist notwendig, um für die Prozessbeteiligten ein Regelwerk vorgeben zu können, für welche Datenablagen und –zugriffe welches System zu verwenden ist.
Die Kombination der Collaboration-Lösung mit der DMS-Lösung wird zumeist benötigt, um Dokumente, die in der Collaboration-Umgebung entstehen dauerhaft geschützt aufzubewahren.
Im Rahmen der Abgrenzung wird somit der Zeitaspekt für das Regelwerk bedeutend, das Aussagen darüber zu treffen hat, wann welches System für welche Funktion einzusetzen ist. Die folgende typische Fragestellungen verdeutlichen die geschilderte Herausforderung: Biswann findet der Zugriff auf Projektdokumente über die Collaboration-Lösung und ab wann über die DMS-Lösung statt? Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass längst nicht alle mittels der Collaboration-Lösung erstellten Daten dauerhaft wichtig oder gar aufbewahrungspflichtig sind. Andererseits sind Collaboration-Lösungen häufig noch zu jung und innerhalb der IT-Infrastruktur zu gering strategisch ausgerichtet, als dass sie für die dauerhafte Haltung und Bereitstellung der enthaltenen Daten eingeplant sind.
Während Projektergebnisse über den Zeitraum der Projektlaufzeit für die Projektbeteiligten wichtig sind, kann die erstellte Dokumentation nach Projektabschluss durchaus für ganz andere Personen relevant sein. Als Beispiel sei ein Projekt zur Entwicklung eines technischen Produktes angeführt: Während in der Entwicklungsphase Ingenieurteams und Produktmanager an der Dokumentation maßgeblich beteiligt sind, müssen zur Fertigung des Produktes zu späteren Zeitpunkten ganz andere Mitarbeiter aus der Produktion & Montage auf dieselben Dokumente zugreifen.
Fazit
Die funktionalen Überschneidungen von Collaboration- und DMS-Lösungen erfordern strategische Entscheidungen über deren Einsatz und Abgrenzung. Eine Zeitraumbetrachtung führt häufig zur kurzfristigen Nutzung der Collaboration-Lösung über die Projektlaufzeit und eine langfristige Bereitstellung der relevanten Dokumente in der DMS-Lösung. Allerdings sind Collaboration- und DMS-Lösungen typischerweise mittels Projektarbeit miteinander zu verbinden; Standard-Integrationen sind im Markt so gut wie nicht erhältlich.
Um die „ideale“ Kombination von Collaboration- und DMS-Lösungen einrichten zu können, ist eine sorgsame Arbeitsprozessanalyse und Designarbeit zu leisten, damit die Anwender innerhalb der künftigen Prozesse intuitiv und einfach auf die benötigten Informationen und Dokumente zugreifen können.