Autoren: Thorsten Brand, Jobst Eckardt
Einleitung
Verträge sind in jedem Unternehmen vorhanden und müssen über ihren Lebenszyklus hinweg erstellt, überwacht oder aktualisiert werden. Es gibt viele Arten von Verträgen, wie Kauf- oder Mietverträge, Lizenz- oder Wartungsverträge, Bau- oder Werksverträge. Sie existieren oft in Papier und werden meist auch im Original aufbewahrt. Verträge besitzen Anlagen oder mitgeltende Unterlagen, Vorversionen und Beziehungen zu anderen Dokumenten oder Akten. Daher kommen für die elektronische Verwaltung von Verträgen eine Dokument-Management-Lösungen in Frage, die den Schwerpunkt auf Dokumentenverwaltung besitzen, sowie Such- und Überwachungsmöglichkeiten bereitstellen. Die Hersteller der DMS-Branche bieten hier oft Zusatzmodule wie „Contract“, „Vertragsmanagement“ oder „Claim-Manager“ an. Es gibt aber auch einen eigenständigen Markt von Produkten zur Vertragsverwaltung, oft mit Schwerpunkten auf Branchen oder Vertragsarten, wie Rechtsabteilungen, Bau-, IT- oder Pharma. Diese Produkte werden als eigene Softwarelösungen oder auch in der Cloud angeboten. Da eine Vertragsverwaltung oft die Integration von führenden Anwendungen erforderlich macht, bieten auch Hersteller, wie SAP, Zusatzmodule zum Vertragsmanagement an.
Im folgenden Artikel wird beschrieben, welche typischen Anforderungen an die elektronische Verwaltung von Verträgen gestellt werden können und durch welche Funktionen DMS-Lösungen hier unterstützen können.
Verträge sind Akten und stehen in Verbindung zu anderen Akten
Verträge bestehen nicht nur aus einzelnen Dokumenten, sondern sind oft mit mitgeltenden Unterlagen wie AGBs, Leistungsverzeichnissen etc. verknüpft. Sie besitzen spezifische Eigenschaften, die als Indexfelder in einem DMS abgebildet werden können. Wichtig sind neben einer internen und externen Vertragsnummer oder einem Vertragsdatum, die Möglichkeit der Definition von Vertragsarten / Vertragskategorien. Oftmals sind wichtige vertragsbezogene Daten, wie die Namen der Vertragspartner, Zuordnungen zu Kostenstellen oder PSP-Elementen bereits in führenden Anwendungen, wie ERP- oder CRM-Systemen vorhanden und werden dort gepflegt. DMS-Lösungen sollten dazu eine Integration zur Synchronisation dieser Vertragsdaten aus diesen Anwendungen unterstützen, um den Aufwand zur Erfassung und Datenpflege für Anwender zu minimieren.
Verträge stehen typischerweise im Zusammenhang mit Lieferanten, Kunden, Projekten oder anderen geschäftlich relevanten Objekten. Wenn dafür ebenso elektronische Akten in einem DMS verwaltet werden, muss die Verknüpfung eines Vertrages auch zu diesen Akten möglich sein, um Anwendern bspw. einen schnellen direkten Zugriff auf Lieferantenverträge aus einer Lieferantenakte zu ermöglichen. Ein DMS kann hier unterstützen, diese Vertragsaktenstrukturen zu definieren und logische Verknüpfungen zwischen verschiedenen Aktentypen zu erzeugen, ohne dass die Mehrfachablage der jeweiligen Dokumente erforderlich ist.
Papierverwaltung
Bei Verträgen in Papierform stellt sich immer die Frage der Vernichtung der Originale und dem damit verbundenen Risiko. Müssen diese, wie bspw. bei Bürgschaften zusätzlich aufbewahrt werden, sollte eine Referenzierung des Papier-Ablageortes in der elektronischen Vertragsakte möglich sein, um bei Bedarf schnell das Original zu finden. Für die tägliche Arbeit kann aber in der Regel mit den digitalisierten Vertragsunterlagen gearbeitet werden.
Suche nach Verträgen
Bei der Suche nach Verträgen kommt die Stärke einer DMS-Lösung zum Tragen. Über die Suche nach den definierten Eigenschaften ist schnell ein Überblick über den Vertragsstatus und die vertragsrelevanten Dokumente möglich. Falls Verknüpfungen zu anderen fachlichen Akten, z.B. einer Lieferantenakte, systemseitig unterstützt werden, könnten bspw. Verträge im Rahmen einer Rechnungsprüfung direkt eingesehen werden. Eine elektronische Abonnement-Funktion kann Vertragsverantwortliche automatisch über neue Verträge oder Vertragsänderungen informieren.
Einige DMS-Lösungen ermöglichen mit einer Google-ähnlichen Suche zusätzlich eine Erschließung von Vertragsinhalten. So können Sachverhalte, Themen oder Begriffe schnell an Hand von Stichwörtern gesucht und bestenfalls im Dokument hervorgehoben werden, bspw. um entsprechende Formulierungen wiederzuverwenden oder zu vergleichen. Idealerweise stehen Funktionen zum Vergleich unterschiedlicher Vertragsversionen zur Verfügung (in der Regel Aufruf von Drittprodukten aus dem DMS), die in den ausgewählten Dokumenten die Unterschiede hervorheben.
Voraussetzung für die Durchsuchbarkeit der Verträge ist eine Volltext-Datenbank, die mit den Inhalten der elektronischen Dokumente versorgt wird. Diese ist in der Regel Bestandteil einer DMS-Lösung und wird ergänzt durch eine Texterkennung von gescannten Dokumenten mittels mehrsprachiger Optical Character Recognition (OCR).
Alle Suchmöglichkeiten müssen immer die hinterlegten Berechtigungen berücksichtigen. Evtl. darf nicht jeder Mitarbeiter alle Vertragsarten zu jedem Vertragspartner einsehen.
Bei großen Unternehmen werden mandantenfähige Lösungen benötigt, so dass in einer gemeinsam genutzten Vertragsverwaltung Verträge den jeweiligen Unternehmensteilen zugeordnet werden können. Teilweise müssen in diesem Zusammenhang auch separate Ablage-Strukturen und eine Trennung der Administration zur Verfügung stehen.
Erstellungs- und Freigabeprozess
DMS-Lösungen können den Erstellungs- und Freigabeprozess von der fachlichen Erstellung, Abstimmung bis zur rechtlichen Freigabe von Vertragsunterlagen unterstützen. Mit elektronischen Workflows können Vertragsunterlagen kommentiert, nachvollziehbar überarbeitet (mit Versionierung) und genehmigt werden. Neben elektronischen Postkorbstrukturen sollten automatisierte Benachrichtigungen von Anwendern zur Teilnahme an Workflows möglich sein.
Vertragsvorlagen mit Mustertexten können elektronisch in einem DMS hinterlegt werden, so dass eine zentrale Nutzung aktueller Vorlagendokumente sichergestellt wird. Fachabteilungen unterstützen dann bei der Erstellung und Abstimmung von Inhalten und die Leitungsebene oder Rechtsabteilung wird im elektronischen Freigabeprozess berücksichtigt. Ist eine Unterschrift erforderlich, kann dies über den Ausdruck und ein erneutes Digitalisieren erfolgen. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, elektronische Signaturlösungen (externe Lösungen DocuSign, AdobeSign oder DMS-Hersteller-eigene Lösungen) zu integrieren.
Reporting und Überwachung
Eine der wichtigsten Anforderungen an eine elektronische Vertragsverwaltung ist die Möglichkeit einer systemunterstützten Überwachung der Verträge. Im Gegensatz zu vielen anderen Dokumenten müssen bei Verträgen Fristen auf Basis der vereinbarten Konditionen überwacht werden. Verträge können einfach enden, können gekündigt oder müssen verlängert werden. Vor oder zum Ablauf definierter Fristen sind oft fachliche Tätigkeiten im Unternehmen erforderlich.
Die Fristenverwaltung muss daher eine schnelle Übersicht über relevante Termine liefern und möglichst eigenständig die entsprechenden Zuständigen im Unternehmen informieren. Dazu gehören auch Wiedervorlagen – ggfs. für unterschiedlichen Personengruppen – beim Erreichen von Kündigungsfristen, Gewährleistungs-Ende oder vor einer automatischen Vertragsverlängerung.
Ein Export der Vertragsdaten von gesuchten Verträgen für die Weiterbearbeitung in Excel ist oftmals gewünscht, um dort weitere Auswertungen durchzuführen. Manche DMS-Lösungen bieten hier auch eigene grafische Auswertungsmöglichkeiten auf Basis von Indexdaten der Verträge.
Einführung & Organisation
Bei der Einführung einer elektronischen Vertragsverwaltung müssen immer organisatorische Rahmenbedingungen wie bspw. die Festlegung von Verantwortlichkeiten für die Erfassung und Pflege von Vertragsunterlagen geschaffen werden, um Unsicherheiten bzgl. unvollständiger oder nicht aktueller Inhalte zu vermeiden. Das betrifft vor allem die Erfassung von Vertragsunterlagen, die möglichst zentral gescannt und abgelegt werden sollten. Ebenso sollten Regeln für Zuständigkeiten zur Bereitstellung, Pflege und Überwachung von Verträgen fachbereichsübergreifend einheitlich festgelegt und in Form von Anweisungen und einer Verfahrensdokumentation dokumentiert werden.
Auch über die Bestandübernahme von vorhandenen Verträgen sollte nachgedacht werden. Zwar kann eine elektronische Vertragsverwaltung stichtagsbezogen eingeführt werden („alle neuen Verträge ab dem 1.1.2023“), aber viele Nutzenpotentiale für noch laufende Verträge gehen hierbei verloren, da man diese nicht zeitnah in die elektronische Vertragsverwaltung übernimmt. Entweder kann eine solche Bestandsübernahme in einer Adhoc-Aktion für den Bestandbestand erfolgen oder alternativ immer dann, wenn Verträge bearbeitet werden müssen, bspw. bei Fristerreichung. Dienstleister bieten hier entsprechende Unterstützung an.
Fazit
Verträge in digitaler Form zu verwalten macht sehr viel Sinn, da diese Dokumente regelmäßig gesucht und bearbeitet werden müssen. Dokumenten-Management-Systeme können dabei gut unterstützen, da einige für die Verwaltung von Verträgen relevanten Funktionen in einer DMS-Lösung bereits vorhanden sind. Die angebotenen Produkte unterscheiden sich aber in Funktionalität und Ergonomie und sind auch mit eigenständigen Lösungen oder Erweiterungen der vorhandenen ERP-Anbieter zu vergleichen.
Organisatorische Aspekte und die Dokumentation der Umgebung sollten nicht vergessen werden, ebenso wie die Übernahme von vorhandenen Beständen. Dies führt zur Erhöhung der Akzeptanz und verhindert die parallele Nutzung von Insellösungen.