Unternehmen, in denen täglich viele Mitarbeiter elektronische Dokumente erstellen und zahlreiche Netzlaufwerke oder persönliche Ablagen für elektronische Dokumente existieren, geraten zunehmend in Handlungsdruck, weil ein effizientes Auffinden und Bearbeiten von dokumentengebundenen Informationen kaum noch zu gewährleisten ist. Kleine und mittelgroße Unternehmen stellen jedoch bei der Suche nach einer geeigneten Lösung rasch fest, dass die Investitions- und Betriebskosten für eine funktional annähernd vollständige Enterprise Content Management-Lösung das verfügbare Budget oft deutlich überschreiten.
Da kommen die großen Softwarelieferanten wie IBM, Microsoft und Oracle gerade recht, die mit neuen preiswerten Produktangeboten in den Markt drängen. Wesentliche Funktionen aus den Bereichen Collaboration, Portal und Content Management werden zu attraktiven Paketen geschnürt, sodass sich für Anwender die Überlegung aufdrängt, ob sich solche Ansätze sinnvoll in eine ECM-Strategie einbetten lassen.
Neue Produkte der Big-Player
IBM besitzt mit FileNET P8 und dem IBM Content Manager bereits zwei ECM-Produktlinien und hat nun mit Lotus Quickr eine auf offenen Standards und Web 2.0-Technologien basierende Anwendung angekündigt. Hier sollen Anwender in Team-Räumen zusammenarbeiten und beliebigen Content bearbeiten können.
Microsoft bietet mit dem neuen Microsoft Office SharePoint Server (MOSS) 2007 Collaboration, elektronisches Dokumenten Management (EDM), Web Content Management (WCM) sowie Portalfunktionen. Die tiefe Integration in die Office-Produktlinie – insbesondere die gute Infopath-, Excel- und Outlook-Integration – machen das Produkt für Microsoft-Anwender attraktiv.
Oracle offeriert mit der Collaboration Suite auf Basis der hauseigenen Datenbanktechnologie und Middleware eine integrierte Funktionalität für E-Mail, Sprachnachrichten, Kalenderfunktionen, Web-Konferenzen, EDM und Collaboration.
Die Produktangebote unterscheiden sich trotz scheinbar ähnlicher Komponenten in einzelnen Bereichen beträchtlich, deshalb ist ein gutes Verständnis der unternehmensspezifischen Anforderungen erfolgskritisch. Für die Auswahl einer geeigneten Lösung ist es weniger zielführend einfach alle möglichen Anforderungen aufzusummieren, sondern die unternehmensspezifischen wichtigen funktionalen Anforderungen zu analysieren.
Anforderungen ganzheitlich betrachten
Stellt man dabei fest, dass zusätzlich zu einfachen Collaboration- und EDM-Anforderungen – die sich oft gut über die Standardfunktionen von Collaboration & Content Suites abdecken lassen – z.B. anspruchsvollere Postkorbanwendungen, eine elektronische Aktenverwaltung, Archiv- und DMS-Funktionen für große Dokumentenmengen, Langzeitarchivierung oder COLD-Verfahren zwingend erforderlich sind, empfiehlt es sich vorab genauer zu prüfen, wie diese Lücken geschlossen werden können.
Typische Alternativen auf Basis der o. a. Produkte sind Erweiterungen von Partnerunternehmen oder Schnittstellen zu spezialisierten ECM-Komponenten. Viele Archivanbieter bieten beispielsweise Schnittstellen für die Langzeitarchivierung an. Anpassungen (Customizing) der Standardprodukte an die Anforderungen sind fast immer nötig. Werden jedoch im Rahmen der Implementierung signifikante Programmierleistungen erforderlich, sollten die Alarmglocken läuten. Der Weg über umfassende kundenspezifische Entwicklungen der benötigten Funktionen erscheint nur in Ausnahmefällen sinnvoll. Die Projektrisiken und die Aufwände für eine dauerhafte Pflege, Support sowie laufende Anpassungen von Individualentwicklungen zehren dann oft den Kostenvorteil gegenüber klassischen ECM-Produkten rasch auf.
Risiko Plattformbindung
Weit verbreitete Produkt-Suites klassischer ECM-Anbieter unterstützen in vielen Fällen mehrere Plattformen (Betriebssysteme, Datenbanken, Web-/Applikation-Server etc.). Bei den o.g. Collaboration & Content Suites ist die Plattform-Bindung deutlich stärker. So ist z.B. das Microsoft-Angebot nur für die Anwender interessant, die sich bereits für Windows Server 2003, MS SQL Server, Windows Clients, MS-Office 2007 und weitere Technologien von Microsoft entschieden haben.
Keine Lösung für alle Fälle
Die Berücksichtigung der neuen Collaboration & Content Suites bei der Konzeption und Umsetzung von ECM-Strategien macht in den meisten Fällen Sinn. Folgende wichtige Vorteile können durch einen gezielten Einsatz erreicht werden:
- Kostengünstige Softwarelizenzen und Pflegekosten mit überschaubaren Kosten für alle Arbeitsplätze. Damit wird eine gemeinsame Infrastruktur für das gesamte Unternehmen realisierbar.
- Infrastrukturlösung für einfache Anwendungsfälle, seltenere und komplexe Szenarien treten in den Hintergrund.
- Bessere Akzeptanz bei den Anwendern durch gute Integration in den PC-Arbeitsplatz (Windows, Office, etc.) sowie teilweise vertraute Benutzeroberflächen.
- Nutzung von unternehmensinternem Know-how für die Basistechnologien des jeweiligen Anbieters.
Vorsicht ist jedoch geboten wenn man feststellt, dass hohe Anforderungen bzgl. folgender Kriterien bestehen:
- Erweiterbarkeit und Skalierbarkeit insbesondere bei hohen Dokumentenmengen oder Retrieval-Häufigkeiten.
- ECM-Funktionen wie z.B. elektronische Akte, Postkorb, Archiv.
- Plattform-Unabhängigkeit.
Fällt die Entscheidung zugunsten einer Collaboration & Content Suite, sollte im Rahmen der Einführung nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden: Netzlaufwerke und E-Mail-Postfächer haben nach wie vor weiter ihre Existenzberechtigung.