Autoren: Jobst Eckardt, Ulrich Gerke
In fast allen unseren DMS-Projekten in öffentlichen Verwaltungen wird der Einsatz eines elektronischen Aktenplans zur Unterstützung einer strukturierten Schriftgutverwaltung diskutiert. Teilweise werden bereits in einigen Verwaltungseinheiten (Teil-)Aktenpläne genutzt, ein verwaltungsweiter Einsatz eines Aktenplans ist aber eher selten.
Aktenpläne stellen den Ordnungsrahmen für das Bilden und Kennzeichnen von Akten in der Gesamtorganisation dar und werden erfahrungsgemäß in einer hierarchischen Struktur mit ineinander geschachtelten Registerknoten abgebildet. Ein Aktenplan hat Beschreibungsfelder wie u.a. die Aktenzeichensystematik (Aktenzeichen), den Titel der Aktenplanposition, die Aussonderungsart (z.B. Archivieren, Bewerten, Vernichten), die federführende Organisationseinheit und die Transfer-/Aufbewahrungsfrist. In einem Aktenplan können Akten nur in der untersten Ebene, der sogenannten „Betreffseinheit“, angelegt werden.Die Aktenzeichen für Akten und die Vorgangszeichen für Vorgänge in den entsprechenden Akten werden in der Regel automatisch generiert. Darüber hinaus stehen weitere beschreibende Attribute wie Titel/Bezeichnung der Akten, Vorgangszeichen, Vorgangstitel für Vorgänge innerhalb der Akten und Dokumentbezeichnung/Titel für Dokumente innerhalb der Vorgänge zur Verfügung.
Häufige Fragen in Aktenprojekten sind: Kann ein elektronischer Aktenplan alle Anforderungen zur Verwaltung von Schriftgut in öffentlichen Verwaltungen erfüllen und was sind die typischen Stolpersteine bei der Einführung?
Sachakten vs. Fallakten
Unter Sachakten werden Akten verstanden, die typischerweise nach sachlichen oder inhaltlichen Kriterien individuell strukturiert sind, wie beispielsweise die Akte zum Bau eines Kindergartens oder zur Planung eines Baugebiets. Dazu gehören aber auch z.B. Sitzungsakten oder Gremienakten mit Protokollen, Beschlüssen, Präsentation etc.
Es gibt überwiegend keinen Bezug zu führenden Fachverfahren. Sachakten sind daher gut zur Verwaltung in einem elektronischen Aktenplan geeignet. Das durch die sachlogische Einordnung im Aktenplan vergebene, nicht veränderbare Aktenzeichen für Akten und das Vorgangszeichen für Vorgänge sind hier eindeutige Attribute zur Identifizierung dieser Akten bzw. Vorgänge.
Auch sind neben dem Aktenzeichen bzw. Vorgangszeichen standardisierte beschreibende Attribute wie Titel/Bezeichnung der Akten, Vorgangszeichen, Vorgangstitel für Vorgänge innerhalb der Akten und Dokumentbezeichnung/Titel für Dokumente innerhalb der Vorgänge Bestandteile einer Sachakte als Standard-Suchkriterien für Akten, Vorgänge und Dokumente.
Fallakten (manchmal auch Einzelfallakten genannt) sind verfahrensgleiche, einheitlich aufgebaute Akten, die sich häufig nur an einem fachlichen Merkmal, wie beispielsweise dem Familiennamen eines Antragstellers bei Antragsakten oder der Personalnummer bei Personalakten unterscheiden. Typisch für Fallakten ist auch die Verwendung im Zusammenhang mit stark strukturierten Massenverfahren wie z.B. im Bereich Bußgeld oder in der Sozialhilfe. Die meisten in öffentlichen Verwaltungen anfallenden Akten und Dokumente werden wohl in Fallakten geführt. Sie haben einen fachlichen Bezug und werden oftmals im Kontext einer entsprechenden Fachanwendung geführt: Steuerakten in Verbindung mit der Steueranwendung, Personalakten in Verbindung mit der Personalanwendung, Lieferantenakten in Verbindung mit der Finanzbuchhaltung, Wohngeldakten im Wohngeldbereich etc.. Fachliche Attribute und Registerstrukturen, wie bei einer Steuerakte die Steuernummer und Adressdaten, bei Personalakte die Mitarbeiternummer etc. werden zudem oftmals durch Fachanwendungen vorgegeben und bei realisierten Integrationen automatisiert in der DMS-Lösung anhand der Daten im Fachsystem aktualisiert. Die Verwaltung dieser unterschiedlichen Fallakten in einem Aktenplan unter Verwendung weniger, allgemeiner Standardmerkmale erschwert eher ein schnelles Auffinden der notwendigen Unterlagen zur Fallbearbeitung. Außerdem ist in einem hierarchisch aufgebauten Aktenplan z.B. die Recherche bei einer sehr großen Anzahl gleichartiger Akten in einem Registerknoten unergonomisch, ggf. aus Performancegründen sogar unerwünscht, vergleichbar mit einer großen Anzahl von Dateien in einem Ordner im Dateisystem.
Was ist der „passende“ Aktenplan?
Standard-Aktenpläne wie bspw. von der KGST (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement) oder auch vom Richard Boorberg Verlag können als Grundlage bei der Strukturierung helfen, sind aber aufgrund der Größe und Komplexität nie 1:1 umsetzbar. Ein Aktenplan sollte immer undogmatisch an die speziellen Anforderungen der jeweiligen Organisationseinheit anpassbar sein.
Wichtig bei der Konzeption des Aktenplans ist eine möglichst große Stabilität gegenüber organisatorischen Veränderungen innerhalb der Verwaltung. Aufgaben- oder produktorientierte Strukturen ändern sich in der Praxis weniger als eine rein an der eigenen Organisation aufgebaute Struktur und eignen sich daher ggf. besser.
Die Tiefe des Aktenplans sollte auf wenige Hierarchieebenen begrenzt sein, um die Nachbildung unübersichtlicher Strukturen bei der Dokumentablage und -recherche zu vermeiden. Hier sollten vielmehr Möglichkeiten zur Auswahl von vordefinierten Vorgangs- und Dokumenttypen bei der Ablage genutzt werden, die eine gezieltere Recherche vereinfachen.
DMS-Funktion Aktenplan
DMS-Lösungen sollen eine Organisation vor allem bei der Erstellung, der Bearbeitung und der Pflege von Aktenplänen unterstützen. Die wesentlichen funktionalen Anforderungen an Aktenplanlösungen sind somit:
- Externe Erstellung, Pflege und Import eines Aktenplans in die DMS-Lösung
- Definition der vordefinierten Aufbewahrungsfristen bezogen auf Registerknoten inkl. automatischer Vererbung auf alle darunter liegenden Aktenplan-Objekte
- Standardfunktionen zur Umsortierung/Verschiebung von Dokumenten/Vorgängen oder ganzen Akten innerhalb des Aktenplans
- Nachvollziehbarkeit/Protokollierung von Änderungen am Aktenplan und dessen Objekte.
Eine in die Aktenplananwendung integrierte Vorlagenverwaltung kann bei der Erstellung von Verwaltungs-intern erstellten Dokumenten unterstützen.
Aus Sicht der Archivare ist eine Möglichkeit zur Kennzeichnung von Akten, Vorgängen oder gar einzelnen Dokumenten wichtig, um nach Ablauf der Mindestaufbewahrungsfrist über die Aussonderung entscheiden zu können. Dabei sollten vordefinierte Auswertungen und Aussonderungsfunktionen zur Verfügung stehen.
Fazit und Empfehlung
Die Ablagekriterien einer großen Zahl fachlich orientierter Unterlagen wird von der Ordnungslogik von ERP- und Fachanwendungen vorgegeben , deren Datenmodell in der Regel keine Rücksicht auf kommunale Aktenpläne nimmt. Und ob man die historisch gewachsene freizügige Ablage von Unterlagen auf Gruppenlaufwerken und Collaboration-Plattformen disziplinarisch wieder in den Griff bekommt um sie einem „verlässlichen“ Aktenplan unterzuordnen, muss jeder Leser für seine eigene Organisation selbst beurteilen, wir haben da häufig Zweifel und kennen die diesbezüglichen sehr kontroversen Diskussionen.
Eine DMS-basierte elektronische Aktenplan-Anwendung bzw. Schriftgutverwaltung kann Anwender aber sehr gut bei der Strukturierung und ordnungsgemäßen Aufbewahrung bei Themen-orientierten Sachakten unterstützen. Um nicht eine große Anzahl rein fachlich getriebener Akten auch dem Aktenplan unterordnen zu müssen, sind daher DMS-Lösungen zu präferieren, die neben einer rein Aktenplan-orientierten Verwaltung von Sachakten auch die Modellierung individueller Fallakten erlauben, die bei Bedarf zusätzlich in den Aktenplan verknüpft werden können, um von dort direkt in die Fallakte abspringen zu können.
Die Anschaffung bzw. Einführung einer DMS-Lösung wird in Verwaltungen immer zum Anlass genommen, das „verstaubte“ Thema Aktenplan zu neuem Leben zu erwecken. Mit der Beschaffung einer DMS-basierten Aktenplanlösung sind die primären Probleme mangelnder Ordnung nicht gelöst. Wie soll die Struktur des Aktenplans für die Gesamtverwaltung aussehen? Wie ist ein ämterübergreifendes Arbeiten mit einem Aktenplan möglich etc.
Wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Einführung ist daher die Schaffung organisatorischer Rahmenbedingungen und Handreichungen für das Verwaltungspersonal, das sich häufig von gewohnten Abläufen und Ablagestrukturen verabschieden muss.
Die Empfehlung lautet daher, auch klare und im täglichen Betrieb einfach anwendbare Regeln und Vereinbarungen für die Nutzung des elektronischen Aktenplans zur Ablage aufbewahrungspflichtiger und aufbewahrungswürdiger Dokumente bereitzustellen.