Die Frage „Was kennzeichnet revisionssichere Archivierung?“ wird in der Regel mit „Optische Speicher!“ beantwortet. Dieser scheinbar zwanghafte Zusammenhang zwischen Revisionssicherheit und Einmalbeschreibbarkeit von Medien gerät jedoch immer mehr ins Wanken: Mit dem dramatischen Preisverfall bei Magnetplattenspeichern verlieren optische Speichermedien ihren Preisvorteil, der in der Vergangenheit einen wichtigen Grundpfeiler ihres Erfolgs darstellte. Gleichzeitig bieten immer mehr Magnetplatten- basierte Storagesysteme Unveränderbarkeit und damit GOB/GOBS-konforme Speicherung. Bei der Speicherauswahl ergeben sich neue Freiheitsgrade und somit mehr Möglichkeiten zur Gestaltung einer Speicherstrategie.
Die Archivierungsanforderungen in Unternehmen steigen deutlich an – ein Ende ist nicht absehbar, im Gegenteil: Dank der in Deutschland geänderten Abgabenordnung (Stichwort: GDPdU) sind Unternehmen inzwischen verpflichtet, selbst ihre Buchhaltungsdaten dauerhaft (d.h. bis zur Prüfung) in maschinell auswertbarer Form aufzubewahren. Anders als die Dokumente, die auch weiterhin „analog“ (also in Papierform) aufbewahrt werden können, müssen Buchhaltungsdaten dem Prüfer zwingend elektronisch bereitgestellt werden können.
Gleichzeitig steigt der Speicherbedarf z.B. von E-Mail-Systemen derart dramatisch an, dass selbst die Einhaltung von zugesicherten Backup- und Restore-Zeiten für viele Unternehmen zu einer wachsenden Herausforderung wird. Nicht zuletzt erzeugen immer mehr Web-Formulare immer mehr elektronische Anfragen, Bestellschreiben oder Beschwerden.
Steigende Format-Vielfalt
Dabei lässt die Flut an papiergebundener Korrespondenz nicht nach und Vorgänge beinhalten immer häufiger eine Kombination aus Papier, Fax und Mail. Die klassische Vorgangsakte hat ausgedient; sie wird immer häufiger ersetzt durch elektronische und papiergebundene Fragmente, die eine Gesamtübersicht über den Kunden unmöglich machen.
Dieses Chaos lässt sich mit dem Einsatz eines sog. „Enterprise Content Management“ Systems gut beseitigen, das auf die langfristige Aufbewahrung fast beliebiger, feststehender Inhalte optimiert ist (Archivsystem). Mit der Einführung des Archivsystems stellt sich unmittelbar die Frage der optimalen Speichertechnologie, wobei das „magische Dreieck“ bestehend aus
- Performance,
- Kostenoptimierung und
- Einhaltung der GOB/GOBS-Konformität
zu berücksichtigen ist.
In der Vergangenheit waren Archivsysteme nur in Kombination mit optischer Speichertechnologie anzutreffen, die zugleich ausschließlich für die Archivierung genutzt werden konnte. Die Archivierungsfunktion im Unternehmen erhielt ihre funktionsspezifische Speichertechnologie
Ziel: Kosteneinsparungen
Unternehmen sind immer weniger gewillt, für unterschiedliche Anwendungen unterschiedliche Speichersysteme bereitzustellen, da jedes Speichersystem seine eigene Administration benötigt: Sicherungs-, Wiederherstellungsverfahren, technische Anbindung, Ausfallsicherung und Ressourcenvorräte für Spitzenbelastungen sind für jedes Speichersystem getrennt einzurichten bzw. vorzuhalten.
Deutliche Einsparungen lassen sich indes erzielen, wenn Unternehmen Speicherstrategien verwirklichen, die auf einer gemeinsamen Storage-Infrastruktur aufsetzen.
SAN-, NAS und HSM
Hier kommen immer häufiger sog. SAN-, NAS- und HSM-Konzepte zum Einsatz, deren Eignung für ECM-Lösungen im Folgenden näher zu durchleuchten sind.
Mit SAN (Storage Area Network) werden solche Speichersysteme bezeichnet, die zumeist mit besonders schnellen SCSI-Festplatten ausgestattet sind und über extrem performante Netzwerkanschlüsse angesprochen werden. Ein SAN-Speicher wird somit nicht lokal angeschlossen, sondern über Netzwerktechnologie „hinter“ der Anwendung angebunden.
Soweit die Archivsoftware inklusive aller Erfassungs- und Retrieval-Zugriffen die Speicherumgebung sauber vom Anwender fernhält und kapselt, kann mit SAN-Speichern durchaus eine revisionssichere Archivierung realisiert werden. Aufgrund der eingesetzten Hardware-Komponenten weisen SAN-Systeme allerdings häufig noch einen deutlich höheren Preis pro Gigabyte auf als viele optische Speichersysteme.
NAS-Systeme (Network Attached Storage) stellen im Netzwerk Speicherplatz in Form von Dateisystemen zur Verfügung. Die logische Verwaltung der Speicher übernimmt im Gegensatz zum SAN nicht die „Host-Anwendung“, sondern die NAS-Umgebung selbst: Innerhalb des NAS-Systems sind daher Dateibereiche und Benutzerrechte einzurichten – typischerweise steht das NAS-System dem Anwender als zusätzliches Netzlaufwerk unmittelbar zur Verfügung.
Soweit NAS-Speicherbereiche einer Archivanwendung „exklusiv“ bereitgestellt werden und das System sicherstellt, dass Anwender auch in dieser Umgebung nicht direkt schreibend auf diese Speicherbereiche zugreifen, kann ebenfalls auf Basis der NAS-Technologie eine revisionssichere Archivumgebung aufgebaut werden. Aufgrund der dramatisch gefallenen Preise der in NAS-Umgebungen typischerweise eingesetzten IDE-Festplatten erscheint dieser Lösungsansatz kaufmännisch interessant – kritisch ist zu prüfen, ob die Festplattenperformance auch tatsächlich linear bereitgestellt werden kann oder ob hohe Zugriffsraten möglicherweise zu Engpässen führen können.
Eine Strategie zur Verkürzung der Restore-Zeiten und zur Kostenoptimierung der verfügbaren Speichertechnologien im SAN- und NAS-Umfeld stellt die zusätzliche Nutzung eines hierarchischen Storage Managers (HSM) dar.
HSM-Systeme sind kombinierte Soft- und Hardwarelösungen, die selbsttätig Daten von schnellen, teuren Speichersystemen auf preisgünstigere, langsamere Speichermedien (häufig Bänder) verschieben – in Abhängigkeit von der Nutzungsfrequenz der Daten. So werden z.B. selten benötigte bzw. lange Zeit nicht mehr benötigte Dokumente auf preiswerte Bänder ausgelagert, während häufiger benötigte Dokumente über einen längeren Zeitraum auf dem relativ teuren Festplattenspeicher verbleiben.
Da Anwender nicht unmittelbar auf HSM-Systeme zugreifen, sondern immer über die Archivanwendung, ist die Revisionssicherheit vornehmlich von der Gesamtarchivlösung selbst und weniger vom HSM-System abhängig. Wichtig ist zu prüfen, ob der präferierte ECM-Hersteller auch die im Hause etablierte HSM-Lösung unterstützt: Eine ECM-Software muss für die Nutzung einer HSM-Lösung vorbereitet sein, um in dieser Lösung verlässlich arbeiten zu können.
Fixed-Content Speichersysteme
Neben den vorgehend beschriebenen und heute in Rechenzentren verbreiteten Technologien bieten einzelne Anbieter verstärkt neue, sog. „Fixed Content Storage“-Speichertechnologien auf Basis von Magnetplatten oder -bändern an. Ähnlich wie bei optischen Speichersystemen stellen diese Systeme die einmalige, unveränderbare Speicherung von Daten und Dokumenten sicher: Das Speichersystem verwehrt nachträgliche Änderungen von Inhalten. In diesem relativ neuen Segment sind derzeit vor allem drei Hersteller und Systeme auf dem Markt sichtbar: EMC, Network Appliance und StorageTek.
Da der Gesetzgeber keine Vorgaben gemacht hat zur Technologie, die Unveränderbarkeit der gespeicherten Daten garantieren soll, können auch diese neuen Ansätze grundsätzlich in Kombination mit ECM-Lösungen betrieben werden.
Sollten Anwender ihre Technologieentscheidung allein auf Basis der Beschaffungskosten fällen? Sicherlich nicht: Wie mehrfach angedeutet spielen zusätzliche Aspekte eine wesentliche Rolle, wie z.B. Backup- und Restore-Strategien und –Zeiten und die Kosten der laufenden Administration. Gerade diese Kosten sind nicht ausschließlich abhängig vom gewählten Medium, sondern auch von der „Intelligenz“ der Archivanwendung. Es empfiehlt sich, bereits vor der Auswahl der Archivsoftware, zu prüfen, welche Auswirkungen der Betrieb mit unterschiedlichen Speichersystem-Typen mit sich bringt. Hierbei sollten sowohl Überlegungen zum Kombinationsbetrieb unterschiedlicher Technologien als auch zur Datenmigration berücksichtigt werden.
Gestaltungsanforderungen
Für die Gestaltung heutiger Archivlösungen ergeben sich erheblich mehr Alternativen als noch vor wenigen Jahren – dieses bietet nicht nur Potenzial zur Einsparung, sondern steigert sowohl die Komplexität des Entscheidungsprozesses als auch der Gesamtlösung.