Mit dem SharePoint Server 2013 hat Microsoft eine Vielzahl neuer Konzepte und Funktionen eingeführt. Schlagworte wie Social Collaboration, Mobile Devices, SharePoint Apps, Web Content Management oder Cloud-Readiness sorgen in dem Zusammenhang für viel Aufmerksamkeit.Wir wollen diese Hype-Themen an dieser Stelle nicht näher betrachten, sondern versetzen uns in die Lage eines Anwenders, der wissen möchte, welche konkreten Fortschritte Microsoft gegenüber der SharePoint Version 2010 im Hinblick auf wichtige DMS-Funktionen gemacht hat. Dabei betrachten wir die Funktionen, die SharePoint out-of-the-box mitbringt.
Dokumentenhandling in Bibliotheken
Schon seit den ersten SharePoint-Versionen wurde von Anwendern kritisiert, dass die Handhabung von Dokumenten in Bibliotheken umständlich und mühsam ist.
Neu in der Version 2013 ist nun, dass man Dokumente per Drag & Drop direkt in eine Dokumentenbibliothek hochladen kann. Dazu ist jedoch ein moderner Browser erforderlich, der die entsprechenden HTML5-Funktionen unterstützt. Problematisch ist das Hinzufügen von mehreren Dokumenten per Drag & Drop deshalb, weil SharePoint im Standard keine Metadaten abfragt. Die Dokumente gelangen ohne Attribuierung in die Dokumentenbibliothek. Einziger Ausweg ist die Definition von Pflichtattributen: Auch in diesem Fall werden aber die Attribute nicht automatisch abgefragt. Stattdessen bleiben die Dokumente für den Benutzer ausgecheckt und sind somit für andere Benutzer so lange nicht sichtbar, bis der Benutzer die Dokumente einzeln eincheckt und dabei die Attribute vergibt.
Auch für das Kopieren oder Verschieben von Dokumenten kann die Drag & Drop Funktionalität innerhalb der Weboberfläche verwendet werden. So können beispielsweise einzelne oder mehrere Dokumente in einen Unterordner oder eine andere Dokumentenbibliothek verschoben werden. Nicht möglich ist das Verschieben in tiefer verschachtelte Unterordner. In diesem Fall sind mehrere sequentielle Drag & Drop-Aktionen erforderlich. Auch das Verschieben von Dokumenten in eine andere Site, oder das Verschieben von Ordnern, Document Sets oder Videos ist per Drag & Drop – auch innerhalb derselben Site oder Bibliothek – nicht möglich.
Der Zugriff auf Dokumentenbibliotheken über Explorer-Ansichten (WebDAV) ist technisch ebenfalls weiterhin einfach aktivierbar, unterhöhlt jedoch wichtige Konzepte, die auch für SharePoint als DMS wesentlich sind:
- Metadaten können nicht direkt bei der Dokumentenablage per Windows Explorer vergeben werden. Sind Pflichtattribute definiert, so bleiben die Dokumente ausgecheckt und damit solange nur für den Ersteller sichtbar, bis dieser die Attribute für jedes Dokument über die Weboberfläche im Rahmen des Check-In vergeben hat (vgl. Ablage per Drag & Drop).
- Eventhandler und Workflows greifen somit zum Teil erst zeitverzögert. In der Praxis wird das Einchecken nicht selten vergessen. Somit sind die Dokumente zwar im SharePoint, für andere jedoch nicht sichtbar.
Bearbeiten von Metadaten
Bisher konnten die Metadaten von Dokumenten nur einzeln pro Dokument bearbeitet werden, was viele Mausklicks und damit viel Zeit erforderte. Obwohl Attribute z.B. in der Data-Grid-Ansicht aufgelistet wurden, war ein schreibender Zugriff nicht möglich. In SharePoint 2013 wurde nun eine Inline-Bearbeitungsmöglichkeit eingeführt, so dass in Listenansichten nun mehrere Felder ausgewählt und gleichzeitig geändert werden können.
Suchen und Finden
Das Thema „Suche“ wurde von Microsoft komplett überarbeitet. In der Vergangenheit musste sich der Kunde zwischen der SharePoint-eigenen Suche oder der Enterprise-Suche (FAST) entscheiden. Mit SharePoint 2013 ist die bessere FAST-Suchmaschine bereits im Standard enthalten.
Eine wesentliche Verbesserung in der Suche ist die Möglichkeit das Crawling so zu konfigurieren, dass neue Objekte sofort in den Index aufgenommen werden, ohne dass inkrementelle Crawl-Jobs definiert werden müssen. Dies ist u.a. eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung von Search Driven Applications. Bei diesen Anwendungen liegt der Content in verschiedenen Bibliotheken, Listen oder auch Fremdanwendungen verteilt vor und wird über eine dynamische Suchfunktion in eine SharePoint-Anwendung eingebunden. Der Vorteil dabei ist, dass Dokumente und andere Inhalte nur einmal abgelegt und in verschiedenem Kontext verwendet werden können.
Über die Suchfunktionen steht auch eine einfache Vorschau-Funktion zur Verfügung, die es ermöglicht in einer Miniaturansicht durch die Dokumente zu blättern, ohne diese in der zugeordneten Anwendung öffnen zu müssen. Von einem vollwertigen Dokumentenviewer ist dieses Feature jedoch noch weit entfernt.
Letztlich wurde die komplette Such-Architektur überarbeitet. Neue Funktionen wie z.B. eine Analyse-Komponente wertet das Benutzerverhalten aus und nutzt dies z.B. für die Ermittlung der Relevanz von Suchergebnissen, mit dem Ziel möglichst das gesuchte Dokument weit oben in der Trefferliste aufzuführen. Darüber hinaus können die Analyseergebnisse verwendet werden, um SharePoint Seiten zu optimieren und beispielsweise direkte Links (Deep-Links) zu Dokumenten oder Seiten zur Verfügung zu stellen.
Mit der neuen Sucharchitektur steigen auch die Leistungsanforderungen an die Hardware deutlich, so dass sich für die Suche – wie auch in anderen Bereichen – mittlerweile ein dedizierter Server empfiehlt.
Es gibt komplett neue Format Handler für die Aufnahme von Dokumenteninhalten in den Index (Content Processing), dadurch werden Dateitypen unabhängig von der Dateiendung (File Extension) erkannt. Die aus den Vorversionen bekannten iFilter werden weiterhin unterstützt.
Attributsuche mit Schwierigkeiten
Eine „erweiterte Suche“ gezielt nach Attributen (z.B. Rechnungsnummer, Vertragslaufzeit, etc.), wie sie in typischen DMS-Lösungen vorhanden ist, kennt SharePoint 2013 out-of-the-Box skurrilerweise nicht. Bestimmte Attribute (Website-Spalten) werden zwar mit SharePoint 2013 automatisch als Managed Properties registriert und in die Suche einbezogen, ein gezieltes Suchen – z.B. nach Wertebereichen in einer Kombination mehrerer Attribute – ist aber im Standard nicht verfügbar. Hierfür muss zunächst eine Volltextsuche ausgeführt werden. Die Ergebnisliste wird dann – ähnlich wie auch in anderen DMS – durch eine Seitenleiste ergänzt, mit der man über sogenannte „Refiner“ (d.h. Unterscheidungsmerkmale innerhalb der Trefferliste anhand ausgewerteter Managed Properties) die Suche verfeinern und die Ergebnismenge nachträglich einschränken kann.
Andere DMS-Lösungen bieten für eine einfach zu bedienende Attributsuche eine häufig konfigurierbare Maske mit den Attributen der jeweiligen Dokumentenklasse an, die der Anwender – soweit relevant – ausfüllt. In SharePoint kann der Benutzer – out-of-the-box – nur die Volltextsuche bemühen oder er formuliert eine Suchabfrage unter Verwendung der spezifischen Feldnamen der jeweiligen Attribute (Managed Properties). Die letztere Variante scheitert in der Praxis meist daran, dass der Anwender sich nicht alle relevanten Feldnamen merken kann und das Schreiben einer solchen Suchanfrage als zu aufwändig und fehlerträchtig angesehen wird.
Um dieses Defizit zu überwinden, ist es meist erforderlich, die Such-Oberfläche entsprechend zu erweitern und Formulare für eine Attributsuche kundenspezifisch zu entwickeln. Das erfordert – verglichen mit anderen DMS-Lösungen – einen untypisch hohen Anpassungs- bzw. Entwicklungsaufwand.
E-Mail-Handling
Die Ablage von E-Mails direkt in eine SharePoint 2013 Bibliothek per Drag & Drop ist nur mit Einschränkungen möglich. Hierzu ist es erforderlich, sogenannte Site Mailboxen einzurichten oder Dokumentenbibliotheken explizit mit OneDrive zu synchronisieren. Ansonsten ist der Zwischenschritt über einen lokalen Ordner (Desktop, etc.) oder über die WebDAV-Integration erforderlich.
In jedem Fall sind hier mehr Arbeitsschritte erforderlich als bei den E-Mail-Integrationen anderer typischer DMS-Systeme. Insbesondere für die Vergabe von Metadaten ist im Nachgang ein Bearbeitungsschritt über die Browser-Oberfläche erforderlich.
Elektronische Akte
In diesem Bereich gibt es leider keine wesentlichen Verbesserungen zu SharePoint 2010, so dass es Platz für einen wachsenden, lukrativen Markt an Partnerlösungen gibt. Für die Erzeugung von Akten-ähnlichen Strukturen kann im SharePoint weiterhin nur auf die Document Sets (Dokumentenmappen) zurückgegriffen werden, die mit einer „echten“ Aktenanwendung nicht wirklich vergleichbar sind, oder man nutzt normale Ordner. Bei der zuletzt genannten Variante vermisst man jedoch ein entsprechendes Administrationswerkzeug, welches durch Fachadministratoren bedienbar ist. Stattdessen muss man zur Realisierung von Aktenplänen auf die Entwicklungswerkzeuge oder Drittprodukte zurückgreifen. Somit ist für die Definition von einfachen Aktenstrukturen ein deutlich höherer Aufwand erforderlich, als bei DMS-Systemen, die eine echte Aktenfunktionalität und entsprechende Konfigurationswerkzeuge für Aktenstrukturen und –vorlagen besitzen.
Weitergehende Aktenfunktionen wie ineinander geschachtelte Document Sets zur Realisierung von Unterakten oder eine individuelle Steuerung der Attributvererbung sind nicht konfigurativ realisierbar. Zwar können die in Document Sets enthaltenen Dokumente zusätzlich eigene Attribute haben, die standardmäßige Vererbung der „Akten“-Attribute kann aber nicht deaktiviert werden, was bedeutet, dass jedes Dokument immer die Attribute des „Aktendeckels“ erbt. Eine Strukturierung innerhalb eines Document Sets ist zwar mit Ordnern möglich, spätestens nach der ersten Benutzung stellt man jedoch schmerzlich fest, dass eine Übersicht über die Struktur bzw. eine Navigation innerhalb der „Akte“ fehlt. Zudem können Unterordner nicht als „Vorlage“ definiert werden. Somit stellt es sich in der Praxis schwierig dar, einheitliche Akten mit Hilfe von Document Sets zu realisieren, wenn diese mehr als eine Handvoll Dokumente beinhalten und eine Unterstrukturierung erforderlich ist.
Dokumentenerfassung
Beim Thema Erfassung von Dokumenten – z.B. durch Scannen oder Bulk-Import – ist Microsoft sich seiner bisherigen Linie treu geblieben. Es wurden keine eigenen Funktionen entwickelt. Hier ist der Anwender darauf angewiesen, die funktionalen Lücken mit Drittprodukten zu schließen.
Workflow
In SharePoint 2013 ist neben der bekannten SharePoint 2010-Workflow-Engine, die im Standard mit-installiert wird, auch ein neuer „Workflow-Manager“ verfügbar. Dieser wird als eigener Server installiert, so dass die Workflows nicht mehr innerhalb von SharePoint, sondern außerhalb im Workflow-Manager ablaufen. Bekannte Probleme wie die fehlende Multiinstanz-Fähigkeit, eingeschränkte Skalierbarkeit, schlechte Performance, fehlende Workflow Management-Funktionen und weitere sollen durch den neuen Workflow-Manager verbessert werden.
Von Anwendern häufig benötigte Workflow-Szenarien mit Einzel- und Gruppen-Postkörben, die z.B. beim frühen Scannen (Post-/Rechnungseingang, etc.) zum Einsatz kommen, sind auch in SharePoint 2013 nicht out-of-the-box verfügbar und müssen entwickelt oder über Drittprodukte dazugekauft werden. Genauso fehlt auch die Möglichkeit für Ad-hoc-Workflows, die in klassischen DMS-Systemen zum Teil sogar stark ausgeprägt sind. Somit eignen sich die SharePoint Workflow-Engines insbesondere für vorstrukturierte, definierte Abläufe.
In der Praxis ist der Workflow-Manager heute jedoch noch sehr instabil, weshalb viele Projekte weiter auf bekannte Workflow-Komponenten von Drittanbietern zurückgreifen.
Upgrade und Migration
Hat man Appetit bekommen SP 2013 einzusetzen, gibt es – zumindest für die Anwender, die bereits SP 2007 oder SP 2010 einsetzen, eine Hürde zu überwinden: das Upgrade der vorhandenen Farm!
Ein In-Place Upgrade auf die neue SharePoint-Version ist nicht möglich, sondern es ist erforderlich eine neue SharePoint 2013 Farm aufzubauen. Für einfache Standard-Installationen von SharePoint 2010 gibt es standardisierte Upgrade-Verfahren und es besteht in einem gewissen Rahmen eine Rückwärtskompatibilität. Die Migration von produktiven unternehmensweiten SharePoint 2010-Installationen wird jedoch häufig unterschätzt. Gerade für stark unternehmensspezifisch angepasste SharePoint-Installationen ergeben sich die Herausforderungen u.a. durch die Architekturveränderungen von SharePoint 2013. Aus diesem Grund sollte immer eine gründliche Vorab-Analyse mit entsprechenden Tests sowie eine fundierte Migrationsplanung durchgeführt werden.
Generelle Einschätzung und Fazit
Die Positionierung von SharePoint 2013 als Facebook und Twitter für das Intranet z.B. ist ein interessanter Ansatz, geht jedoch an den Bedürfnissen der Anwender vorbei, die SharePoint vorrangig zur effizienten Verwaltung ihrer Dokumente verwenden möchten und hofften, dass mit SharePoint 2013 die Schwächen bei der Suche und bei der Handhabung von Dokumenten behoben sind.
Kritische Stimmen kommen auch aus der IT-Fraktion, da die Komplexität einer SharePoint-Einführung mit der Version 2013 noch einmal deutlich gestiegen ist. Die Anforderungen an Budget und Know-how sind für kleine und mittlere Unternehmen – traditionell eine wesentliche Zielgruppe von Microsoft – immer schwieriger zu stemmen.
Fazit: Es wurden viele neue innovative Themen in das SharePoint Server 2013 Release aufgenommen, die für Microsoft offensichtlich einen höheren Stellenwert haben, als die Vervollständigung der Dokumenten Management-Funktionen. Während die Kombination aus Collaboration-Plattform und DMS für Knowledge-Worker in Szenarien mit einfachen Dokumenten Management-Anforderungen durchaus interessant sein kann, bietet SharePoint für stark-strukturierte, transaktionale DMS-Anforderungen weiterhin leider nur wenig Unterstützung und man ist auf die Verwendung einer oder mehrerer Drittlösungen oder auf individuelle Anpassungen unter Verwendung der Entwicklungswerkzeuge angewiesen. Um komplexe SharePoint Projekte erfolgreich durchzuführen sollte dies bereits im Auswahlprozess bzw. in den Budgetierungs- und Planungsphasen berücksichtigt werden.
Geschrieben von: Marc-Björn Seidel und Jürgen Rentergent