Haben sich früher vor allem Großanwender Systeme zur elektronischen Rechnungsbearbeitung geleistet, die bezüglich der Mengen und Häufigkeiten auch entsprechende Skaleneffekte ausnutzen konnten, so führt die hohe funktionale und preisliche Attraktivität mittelstandsgeeigneter Lösungen dazu, dass solche Lösungen mittlerweile auch für kleinere Organisationen interessant geworden sind.
Die elektronische Rechnungseingangsbearbeitung ist die in der Praxis am häufigsten vorkommende Workflow-Anwendung in Verbindung mit einem Dokumenten Management System (DMS) oder einem elektronischen Archiv. Aus Anwendersicht stellt sich der Markt oftmals unübersichtlich dar. Nicht nur DMS-Anbieter, sondern auch Unternehmen, die klassischerweise OCR- und andere Erkennungstechnologien entwickeln, bieten paketierte Lösungen an. Hinzu kommen Systemintegratoren mit Spezial-Know-how und spezifischer Projekterfahrung – insbesondere im Bereich der zu integrierenden ERP-Systeme.
Es gibt aber nicht die eine Art der Rechnungsbearbeitung. Trotz der scheinbar ähnlichen Funktionalität unterscheiden sich die Produkte in wesentlichen Details, die vom Anwender häufig unterschätzt oder gar nicht gesehen werden. Der folgende Artikel soll solche Anforderungen aufzeigen, auf unterschiedliche Konzepte der Lösungen hinweisen und somit bei Anbieter- und Systemauswahl unterstützen.
Motivation der Anwender
Selbst innerhalb eines Unternehmens gibt es Unterschiede in der Rechnungsbearbeitung. Rechnungen, die dem Betriebszweck direkt zugeordnet werden können, werden anders behandelt als Rechnungen z.B. für Gebrauchsgüter, Mieten, Reparaturen oder Anlagevermögen. Eine Büromaterialrechnung geht zur Prüfung in anders gestalteten Prozessen an ganz andere Personen, es gelten andere Freigaberegeln und Wertgrenzen.
Sind diese sehr unterschiedlichen Bearbeitungsprozesse für Eingangsrechnungen papierbasiert, entstehen zahlreiche Probleme wie:
- Verteilungsaufwand: Hauspost ist langsam und teilweise teuer
- Unklarer Bearbeitungsstand: Wo ist die Rechnung? Wer bearbeitet sie gerade?
- Fehlende Terminkontrolle: Überschreitungen von Fristen für Rabattierung, Skonto, Zahlungen, etc.
- Personalaufwand durch manuelle Rechnungserfassung bei hohen Rechnungsvolumina
- Unnötige Aufwände für die Bearbeitung von Mahnungen bedingt durch Liegezeiten oder Verlust von Rechnungen
- Teilweise: Nicht genützte Skontovorteile
- Rechercheproblematik für unterschiedliche Anwendergruppen durch zentrale physikalische Ablage
Die Zielsetzungen und Erwartungshaltung der Anwender sind daher vielfältig: Es geht darum, den Datenerfassungsaufwand zu reduzieren und Rechnungsdokumente erscheinen aufgrund ähnlicher Strukturierung für eine automatisierte Erkennung gut geeignet. Gleichzeitig besteht durch elektronische Weiterleitung und Bearbeitung die Möglichkeit, die Durchlaufzeiten für Rechnungsvorgänge zu verkürzen sowie zu einem frühen Zeitpunkt des Eintreffens im Unternehmen bereits einen zuverlässigen Überblick über anstehenden Mittelabfluss zu haben.
Zunehmend erhalten Firmen Rechnungen bereits in elektronischer Form – begünstigt durch das Steuervereinfachungsgesetz aus 2011 und aufgrund des Kostendrucks auf der Lieferantenseite, die mit dem elektronischen Rechnungsversand erhebliche Einsparmöglichkeiten im Vergleich zum Papierversand realisieren können. Wenn die Rechnungen aber bereits elektronisch ankommen, sind sie prädestiniert für die Integration in automatisierte Rechnungsbearbeitungsprozesse, weil die bisher aufwendige Digitalisierung nicht mehr notwendig ist. Ein elektronisches Bearbeitungsverfahren sollte also sowohl für analoge als auch elektronische Eingangsrechnungen funktionieren.
Die Idealvorstellung ist eine automatisierte Bearbeitung bis hin zur so genannten Dunkelverarbeitung – also einer weitgehend ohne Beteiligung von Anwendern ablaufenden Prozesskette. In der Praxis gibt es jedoch immer Abweichungen von dieser Idealvorstellung. Gründe hierfür und Lösungsmöglichkeiten stellt der Artikel nachfolgend dar.
Zusammenspiel von Komponenten als Lösung
Bei der Bewertung der Lösungen ist zwingend zu beachten, dass es sich bei der Rechnungseingangsbearbeitung nicht um eine Einzeldisziplin handelt, sondern um ein Zusammenspiel verschiedener Komponenten, die oftmals von verschiedenen Herstellern stammen. Wenn man die Lösungen betrachtet, bestehen diese immer aus drei Funktionsbereichen: Dokumentenerfassung, Prüfung & Freigabe, Buchung.
Abb.: Produktunterstützung im Ablauf der Rechnungseingangsbearbeitung
(Quelle: Zöller & Partner ECM-Seminar)
Funktionsbereich Dokumentenerfassung
In Papierform eingehende Rechnungen müssen im Posteingang aussortiert und für das Scannen vorbereitet werden. Um eine möglichst gute Basis für die Datenextraktion zu legen, sollte eine Auflösung von 300 dpi gewählt werden, die meistens auch bereits von günstigeren Scannern erzeugt werden kann. Höhere Auflösungen bringen in den allermeisten Fällen keine relevante Verbesserung der Erkennungsergebnisse. Hilfreicher für die Dokument-Qualität sind eher Bildverbesserungsmaßnahmen wie zum Beispiel das Geraderücken, Erzeugen kontraststarker Bitmaps, Ausfiltern störender Informationen wie Kopierränder oder Hintergrundrauschen etc. Oftmals sind solche Funktionen bei professionellen Scannern bereits in der Firmware enthalten.
Nach der Digitalisierung folgen Datenextraktion, Klassifizierung und Validierung. Die Qualität der ermittelten Daten hängt zu einem wesentlichen Teil von der Möglichkeit zur Überprüfung von OCR-gelesenen Informationen mit vorhandenen Stamm- und Bewegungsdaten – typischerweise im ERP-System gepflegt – ab. Dazu werden diese oftmals zyklisch (z.B. täglich) in die Erkennungsumgebung aus dem ERP-System übernommen, um ansonsten notwendige Online-Zugriffe und Zusatzbelastung der ERP-Lösung zu vermeiden.
Je nachdem ob bereits vor oder beim Scanvorgang eine Vorgangstrennung und Kennzeichnung der Rechnungsanhänge erfolgte, kann dies auch noch während der Klassifizierung durch die Software erfolgen, evtl. jedoch weniger zuverlässig als bei manueller Trennung. Der Ermittlung des Rechnungsempfängers zur Zuweisung von Firmenteil, Mandant oder Buchungskreis – je nach Organisation und Bezeichnung der Firmen bereits die erste große Herausforderung – folgt die Identifizierung des Rechnungsstellers (Kreditor). Eigentlich sind alle erforderlichen Informationen auf der Rechnung vorhanden (zum Beispiel eindeutige Umsatzsteuer-ID oder Bankverbindungen im Rechnungsfuß zur Prüfung gegen die Stammdaten des ERP-Systems), aber trotz bester OCR-Engines nicht immer hundertprozentig lesbar. Als hinderlich erweisen sich hier kleine Schriften und farbige Hintergründe. Bei Rechnungen aus Konzernunternehmen ist die Zuweisung zum richtigen Kreditor oftmals erschwert und die Intelligenz des Rechnungslesers gefordert, um aus gelesenen Informationen wie Firmenname, Umsatzsteuer-ID, etc. eine Validierung und Gewichtung der Ergebnisse zueinander vorzunehmen. Fehlende oder nicht gepflegte Stammdaten reduzieren zusätzlich die Erkennungsrate.
Sinnvollerweise übernimmt die Lösung auch direkt formale Prüfungen, wie die Vollständigkeit der Angaben nach § 14 (4) UStG und Rechenfehler (Summenbildung Positionen, Brutto/Netto-Abgleich, etc.)
Bei Rechnungen mit Bestellbezug kann der Rechnungsleser über die ermittelte Bestellnummer einen direkten Abgleich mit den Bestelldaten oder sogar Wareneingangsinformationen aus dem ERP-System durchführen. Erstaunlicherweise bieten übrigens nicht alle Lösungen die Option, Kreditoren über die Bestellnummer zu identifizieren.
Über die Erkennung von Kopfdaten einer Rechnung hinaus, bieten viele Rechnungsleser Möglichkeiten zur Verarbeitung von Rechnungspositionen. Damit sind nicht nur zusätzliche Kosten verbunden (oftmals kostet die Tabellenextraktion bzw. Positionserkennung extra), sondern auch ggf. höhere Aufwände für das Anlernen von Lieferanten. Ein typisches Thema, bei dem sich bei den angebotenen Produkten die Spreu vom Weizen trennt, ist das Auslesen von Daten aus Tabellenstrukturen. Stolpersteine sind Tabellen mit Sammelspalten, mehrzeilige Einträge, die über eine Seite hinausgehen, Tabellen über mehrere Folgeseiten, Überträge und andere Merkmale, die das Auslesen erschweren.
Weitere Komplexitäten ergeben sich aus unterschiedlichen mehrwertsteuersätzen, Summenprüfungen bei gewährten Rabatten (glücklicherweise sind diese meist separat ausgewiesen und nicht nur im Text erwähnt), Summenzeilen (bewusst im Plural aufgrund von Zwischensummen, Mehrwertsteuersummen, etc.), Fremdwährungen, Umsatzsteuerfreistellungen gem. §13b UStG, abweichenden Zahlungsbedingungen, ausländischen Datumsformaten oder Monatsnamen, etc.
Es ist daher empfehlenswert, unabhängig von der manchmal sehr akadamisch geführten Diskussion um Erkennungs- und Lernverfahren, repräsentative Dokumentmengen mit den favorisierten Angeboten zu testen und den potentiellen Trainingsaufwand für Lieferanten und Rechnungslayouts abzuschätzen. Bei bestellbezogenen Rechnungen hängt die Effizienz einer Positionslesung zusätzlich von Rahmenbedingungen wie bspw. der Anzahl von Mengen- oder Preisabweichungen ab. Im Praxisbetrieb interessieren auch die Werkzeuge zur Optimierung von Erkennungsraten („Training“). Der Anwender sollte die Frage stellen, wie unbewusstes Fehltraining vermieden werden kann.
Elektronische Rechnungen
Der elektronische Rechnungseingang spielt heute noch eine eher untergeordnete Rolle, wenn man von den Großanwendern mit EDIFACT-basierten Rechnungsprozessen einmal absieht. Aber die Chancen stehen nicht schlecht, dass sich der Anteil elektronisch ausgetauschter Rechnungen massiv erhöht, weil seit Mitte 2011 durch die Lockerungen des Steuervereinfachungsgesetztes der Vorsteuerabzug auf einfache elektronische Rechnungen zulässig ist und die davor bestehenden Anforderungen (qualifizierte elektronische Signatur inkl. Archivierung des Prüfprotokolls, etc.) komplett enfallen sind. (Siehe hierzu Artikel „Elektronische Rechnungen: Umsetzung in der Praxis“ im Zöller & Partner ECM-Blog.) Es ist daher wahrscheinlich, dass zukünftig ein größerer Teil der Rechnungen beispielsweise als PDF-Anhang per E-Mail eingehen wird.
Diese elektronisch eingehenden Rechnungen sind wesentlich einfacher in den Rechungsprozess zu integrieren, vor allem wenn bereits wesentliche Kopfdaten wie Kreditor, Umsatzsteuer-ID und andere nach deutschem Steuerrecht verpflichtenden Angaben als Attribute in der PDF-Datei eingebettet sind. Genau diese Idee wird derzeit unter anderem von einer ECM-Arbeitsgruppe im BITKOM zusammen mit anderen interessierten Gremien weiter verfolgt.
Ohne strukturierte Rechnungsdaten sind die elektronischen Rechnungen nach dem Import in den Eingangsrechnungsprozess wie die gescannten Papierbelege zu behandeln.
Manuelle Verifizierung und Korrektur
Auch wenn man so viel wie möglich automatisieren möchte, ganz ohne manuelle Verifizierung und Korrektur wird es nicht gehen. Über die Definition von Schwellwerten wird dem Rechnungsleser vorgegeben, ab welchem Prozentsatz, gelesene Felder als „sicher erkannt“ gelten. Alle nicht erkannten Daten müssen manuell nachbearbeitet werden.
Da dies ein sehr wichtiger und unter Umständen zeitaufwändiger Arbeitsschritt ist, sollte man sich vor der Beschaffung einer Lösung sehr genau anschauen wie ergonomisch und effizient die Validierungsanwendung ist. Eine automatische Positionierung auf die zu bearbeitenden Daten im Dokument und gleichzeitiger Ausschnittvergrößerung, Darstellung von Tabellenstrukturen sowie Visualisierungshilfen sollten vorhanden sein. Wichtig zu wissen, dass an dieser Stelle auch oft das „Training“ der Erkennungskomponente stattfindet: automatisch (also selbstlernend) oder durch den Anwender.
Im Zusammenhang mit der Validierung ist die Arbeitsorganisation der Rechnungsbearbeitung zu berücksichtigen. Sollen bspw. nicht erkannte oder neue Kreditoren von den Mitarbeitern bei der Validierung gepflegt werden oder nur durch ein zentrales Verfahren? Die Validierungsanwendung benötigt dann über den Abgleich von Eingaben mit Stammdaten hinaus weitere Funktionen wie den Aufruf der erforderlichen ERP-Transaktionen, Start von Prozessen zur Stammdatenpflege, etc.
Es gilt der Anspruch: Wenn die Rechnung den Dokumentenerfassungsschritt verlässt, muss sichergestellt sein, dass die elektronisch vorliegenden Daten mit den bildhaften Daten der Rechnung übereinstimmen. Ob ein gelesener Bestellbezug oder Kreditorendaten korrekt sind, kann erst im Prüf- und Freigabeprozess geprüft werden, aber zumindest die Konsistenz zwischen Papier und Daten muss sichergestellt sein.
Kontrollinstrument Rechnungseingangsbuch
Im nächsten Schritt werden die Rechnungen typischerweise in einem elektronischen Rechnungseingangsbuch (REB) der Buchhaltung registriert. Als zentrales Kontrollinstrument für die Prüfung und Freigabe von Rechnungsvorgängen müssen nicht nur die wesentlichen Vorgangsdaten als Übersicht zur Verfügung stehen, sondern auch visuelle Hinweise zur Eskalationsüberwachung wie Vorgangsstatus, Skonto- und Zahlungsfristen z.B. in Form von Ampelfunktionen gegeben werden. In der Praxis müssen Buchhalter manuell in bestehende Rechnungsprüfungsvorgänge eingreifen können. Dazu gehören Möglichkeiten zur Weiterleitung und Priorisierung bis hin zum Abbruch einer Rechnungsbearbeitung.
Mit einer Bereitstellung entsprechender Absprünge in alle wesentlichen Buchungs- und Stammdatentransaktionen kann das REB – alternativ zur jeweiligen Navigation innerhalb des ERP-Systems – auch als zentrale Arbeitsoberfläche (Cockpit) von Buchhaltern genutzt werden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Möglichkeit zur Individualisierung des Rechnungseingangsbuches. Dazu gehören bspw. die individuelle Auswahl angezeigter Rechnungsvorgangsdaten und Speicherung von persönlichen Sichten auf den Rechnungseingang (z.B. Einschränkung auf Rechnungsarten, Kreditoren, Bereiche) aufgrund definierter Arbeitsorganisationen innerhalb der Buchhaltung.
Regelwerke Rechnungsbearbeitung
Welche Bearbeitungsschritte im Rahmen der Prüfung und Freigabe durchlaufen wreden sollen, wird durch das unternehmensspezifische Regelwerk festgelegt. Grundsätzlich sollten sowohl automatisch durch das System im Hintergrund (z.B. Rechnungen mit Bestellbezug und Wareneingang ) als auch manuell gesteuerte Abläufe umsetzbar sein. Typische fachliche Parameter für die Bearbeiterfindung sind Kostenstellen, Projekte, etc. in Verbindung mit Kompetenzen auf Basis von Rechnungsbeträgen. In der Umsetzung des Regelwerkes unterscheiden sich die angebotenen Lösungen aber wesentlich. Die Bandbreite reicht hier von konfigurierbaren Tabellen bis zu individueller Programmierung von Abläufen. Generell ist zu betrachten, wo und wie die an der Rechnungsbearbeitung beteiligten Mitarbeiter und die Organisation im Unternehmen abgebildet werden: Im ERP-System (z.B. SAP HR), im Active Directory oder in der (DMS-) Workflowlösung? Der Anwender sollte bei der Auswahl der Lösung darauf achten, dass nicht nur eine dauerhafte Pflege der Bearbeiter, Rollen, Vertretungen, sondern auch der Regelwerke durch eigenes entsprechend geschultes Personal möglich ist. In allen abbildbaren Regelwerken darf es nicht möglich sein, insbesondere durch Vertreterregelungen, das 4-Augen-Prinzip auszuhebeln.
Funktionsbereich Prüfung und Freigabe
In allen Projekten stellt sich die Frage, welche Mitarbeiter wie im Rechnungsbearbeitungsprozess beteiligt werden müssen. Im Gegensatz zu klassischen Sachbearbeiter-Workflows (z.B. Anragsbearbeitung) sind bei der Eingangsrechnungsbearbeitung sehr unterschiedliche Anwendergruppen zu involvieren. Die Buchhaltung und der Einkauf haben ganz andere Anforderungen and Berarbeitungsfunktionen als der Projektleiter im Außeneinsatz, der nur einmal im Monat eine Rechnung freizugeben hat und somit weder täglich in sein „Rechnungsbearbeitungssystem“ schauen wird noch den gleichen fachlichen Hintergrund besitzt. Idealerweise erfolgt hier die Benachrichtigung über zu bearbeitende Vorgänge über das Mail-System. Ein in der Mail enthaltender Link führt direkt auf den Rechnungsvorgang oder den persönlichen Postkorb. In der Prüfungs- und Freigabe-Oberfläche sollte ein konfigurierbarer elektronischer Kontierungsstempel angezeigt werden, der Eingaben von Positionen, Kostenstellen, Projekten, Steuerschlüsseln, etc. gegen Stammdaten prüft.
Oftmals möchte der Anwender eine Rücksprache mit Kollegen zu einem Rechnungsvorgang halten. Hilfreich zeigt sich eine elektronische Klärungsfunktion mit temporärer Weiterleitung des Vorgangs und Rückkehr in den eigenen Postkorb ohne grundsätzliche Änderung der Bearbeitungskette. Ebenfalls können Möglichkeiten zur individuellen Pflege von Abwesenheiten und Urlaubszeiten sowie der Buchung von Wareneingängen zentrale Abteilungen entlasten.
Bei der Unterstützung von Smartphones und Tablets im Freigabeverfahren verfolgen Anbieter unterschiedliche Strategien. Nicht immer werden alle gängigen Betriebssystem-Plattformen unterstützt. Auch die Bandbreite erstreckt sich von reiner Mail-Benachrichtigung mit Link auf den Vorgang zur Browser-Anzeige bis zu eigenständigen Apps mit Möglichkeiten zur Postkorbdarstellung von Vorgängen. Über den Einsatz für einfache Freigaben hinaus, ist der Einsatz für die Bearbeitung im Breich (Vor-) Kontierung oder zur komfortablen Dokumentanzeige eher kritisch zu sehen.
Funktionsbereich Buchung
Nach vollständiger Erfassung, Prüfung und Freigabe folgt als nächster Schritt der abschließende Buchungsvorgang im ERP-System. Je nachdem ob bereits Buchungsinformationen dort vorhanden sind (z.B. Vorbuchung, Buchung mit Sperre) oder eine Buchung erst erzeugt werden soll, müssen die freigegebenen Rechnungsdaten an die Buchhaltunganwendung übergeben werden.
In diesem Zusammenhang sind neben den grundsätzlichen technischen Fragen zu Integrationsmöglichkeiten vor allem organisatorische Fragen zu klären:
- Wie automatisch sollen die erfassten Daten in die Buchhaltungs-Anwendung einfließen:
- Vollautomatisch?
- Als vom Anwender ausgelöster Bildschirmprozess oder per Hintergrundprozess?
- Akzeptiert die Buchhaltungsleitung eine Dunkelverbuchung oder wird das, wie oftmals erfahren, kategorisch abgelehnt?
- Erfolgt nach Übergabe an das Buchhaltungssystem dort nochmals eine Prüfung mit allen abgebildeten Plausibilitätsprüfungen?
Bei der Umsetzung von gewünschten Buchungsszenarien sollte auch die technische Machbarkeit geprüft werden. Als Stolpersteine erweisen sich in der Praxis teilweise fehlende Schnittstellen in Form von APIs oder Importverfahren. Je nach Anforderung sollte darauf geachtet werden, ob im ERP-System alle notwendigen Buchungsfunktionen wie bspw. Vorerfassung, Dunkelbuchung, Zahlungsfreigabe von einer externen Rechnungsprüfungsanwendung angesprochen und ausgeführt werden können.
Besonderheiten im SAP-Kontext
Setzt ein Anwender SAP als ERP-System ein, gibt es einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Durch die Workflow-Möglichkeiten von SAP stellt sich die Frage: Soll der Rechnungsbearbeitungsprozess über den Einsatz von SAP-Technologie oder über ein externes Workflow-System gesteuert werden. Wesentliche Aspekte sind hierbei die Anzahl der beteiligten Nicht-SAP-Anwender – auch die, die nur selten Rechnungen prüfen – und damit ggf. verbundene zusätzliche SAP-Lizenzkosten. Auf der anderen Seite steht als Vorteil die bessere Integrationsfähigkeit von SAP-basierten Abläufen in Stamm- und Bewegungsdaten. In SAP bereits implementierte Buchungsregeln, wie die Vermeidung von Mehrfachbuchungen derselben Rechnung oder Berechtigungen zur Buchung definierter Belegarten, Kreditoren, etc. können direkt genutzt werden.
Zudem gibt es mittlerweile eine größere Anzahl von Anbietern inkl. SAP selbst, die SAP-zentrische gewartete Lösungen zur Vergügung stellen.
Abb.: Vor- und Nachteile Rechnungsprüfung mit / ohne SAP-Workflow
(Quelle: Zöller & Partner ECM-Seminar)
Beim Einsatz eines externen Workflow-Produktes sind auf Umsetzung von (synchroner) Stammdatenintegration, Abgleich der Prüflogik und Berechtigungssteuerung, etc. zu achten. Nicht alle SAP-Funktionen können über RFC-Bausteine oder BAPIs ferngesteuert werden.
Ein weiterer Aspekt ist die Releasefähigkeit der Lösung auch in Bezug auf Schnittstellen zu dem SAP-System. Bei jedem Wechsel von SAP-Releases sollten entsprechende Aufwände für Tests und ggf. Anpassungen einkalkuliert werden.
Was ist zu tun?
Wer mit der Aufgabe betraut wird, eine Lösung zur elektronischen Rechnungsbearbeitung auszuwählen und einzuführen, muss sich mit Details beschäftigen. Nahezu alle Produkte schaffen es irgendwie eine Rechnung zu erfassen, weiterzuleiten und zu archivieren. Auf Anwenderseite gibt es oftmals noch keine klare Übersicht über den konkret benötigten funktionalen Lösungsumfang und schließlich zeigen sich die gravierenden technischen und fachlichen Unterschiede der auf dem Markt angebotenen Systeme nur nach gezielter Recherche. In der nachfolgenden Übersicht sind daher wesentliche Stolpersteine aus der Praxis dargestellt.
Kategorie | Stolpersteine | Kritische Parameter |
Systementscheidung | Ungenaue oder fehlende Analyse der Anforderungen im Detail |
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Integrationsfähigkeit | Mangelnde Releasefähigkeit, hoher Wartungsaufwand bei Änderungen der IT-Umgebung |
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Wirtschaftlichkeits-berechnung | Keine Ermittlung unternehmensspezifischer Kosten und Nutzen oder falsche Annahmen |
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Anwenderakzeptanz | Anwender nicht ausreichend in den Auswahlprozess integriert oder Systementscheidung zu IT-getrieben |
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Organisation | Notwendige Anpassungen nicht geplant oder in der Praxis nicht umsetzbar |
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Einführung | Big Bang unter hohem Zeitdruck und damit qualitativ nicht optimal |
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Auch die Tatsache, dass oftmals Lösungskomponenten wie der Rechnungsleser nicht vom Produktanbieter, sondern von einem Partner oder anderen Lieferanten stammen, macht die Sache nicht leichter: Bei Fremdkomponenten sollte das entsprechende Know-how auch beim Lösungsanbieter vorhanden sein, sonst entstehen Supportrisiken für die dauerhafte Betriebsfähigkeit des Rechnungsbearbeitungsprozesses.
Neben den Softwarekomponenten stellen die Dienstleistungen, die notwendig sind, um die Systeme in der individuellen Situation des Kunden aufzusetzen, einen ebenso großen, häufig sogar dominierenden Kostenblock dar. Bei der Implementierung sind z.B. neben der Basis-Einrichtung der Komponenten auch die Einrichtung der Regelwerke und Benutzerprofile sowie das Training der wesentlichen Lieferanten, die nächtliche Übernahme der Stammdaten aus der ERP-Anwendung, Schulung und Dokumentation zu berücksichtigen.
Die Liste dieser Positionen ist in der Regel deutlich länger als die Liste der Softwarekomponenten. Und jede dieser Dienstleistungspositionen sollte bei der Angebotsabfrage mit folgenden Details angefordert werden: „Aufwand zur Feinkonzeption, Implementierung, Test, Abnahme und Dokumentation“. Angebote die Implementierungen im einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich an Personentagen versprechen, sind mit Vorsicht zu betrachten.
Ebenso wichtig für den Projekterfolg ist das Know-how der beteiligten Personen – sowohl auf Anbieter- als auch Anwenderseite. Die Ursachen mancher gescheiterten Projekte liegen nicht im Produkt, sondern im fehlenden Know-how des Projektteams begründet. Kunden sollten sich vom Anbieter darstellen lassen, welche Personen welche Arbeitspakete im Projekt durchführen sollen und sie sollten sich die konkreten Produkt- und Projekterfahrungen der zugeordneten Personen speziell im Bereich der elektronischen Rechnungsbearbeitung aufzeigen lassen.
Fazit
Die Verbreitung von Systemen zur automatichen Erkennung und elektronischen Bearbeitung von Rechnungen steigt. Bei vielen DMS-Herstellern, aber auch Systemintegratoren, findet man eine entsprechende Lösung, die mit KMU-kompatiblen Lizenzpreisen und angepassten Einführungskosten angeboten wird. Manche Marketingaussage „in wenigen Tagen realisiert“ ist zu hinterfragen: Wird nur die Erkennung von Kreditoren und ein paar einfachen Feldern implementiert oder geht es bis hin zum Auslesen von Einzelpositionen und unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze sowie dem folgenden Freigabeworkflow? Wie hoch ist der Anpassungsaufwand bei Minor- und Major-Releasewechseln bei einem der beteiligten Systeme? Häufig unterschätzt werden die erforderlichen organisatorischen Änderungen bei Dokumenterfassung und Bearbeitugnsprozessen, insbesondere bei dezentralen Organisationen oder autonom agierenden Standorten.
Nur eine IST-Analyse der eigenen Abläufe bringt Klarheit über mögliche und auch gegenüber Entscheidern nachweisbare Nutzenpotentiale in der Verarbeitungskette und beeinflusst den Kreis potentieller Lösungsanbieter.
Wesentlich sind intuitiv zu bedienende Benutzeroberflächen für die unterschiedlichen Zielgruppen und Rollen im Prozess, insbesondere auch die Ad-hoc-Anwender im Feld.
Generell wird eine hohe Zufriedenheit bei den Anwendern festgestellt und trotz evtl. zu optimistischer Erwartungshaltung an Skontoersparnisse ein positiver ROI realisiert. Ganz abgesehen davon, dass in der heutigen modernen und mobilen Arbeitswelt und der Vereinfachung des elektronischen Rechnungsaustausches eine Rückkehr zu papiergebunden Prozessen gar nicht mehr vorstellbar ist.
Geschrieben von: Jobst Eckhardt, Holger Jischke